DAS ENTSCHEIDENDE DETAIL: Schweigt besser
US-STUDIE Im Netz wollen sich viele nicht über Snowden äußern. Ein Beleg für die Schweigespirale?
Nur 42 Prozent der Nutzer sozialer Netzwerke in den USA würden sich auf Facebook oder Twitter zu den Enthüllungen von Edward Snowden über den US-Geheimdienst NSA äußern. Das hat das Meinungsforschungsinstitut Pew Research herausgefunden. Und es sieht sich damit darin bestätigt, dass die SCHWEIGESPIRALE – „eine wichtige Erkenntnis über das menschliche Verhalten in der Vor-Internet-Zeit“, wie sie das Institut nennt – auch im Internet vorherrsche.
Das Problem dabei: Ob die Schweigespirale in dieser Vor-Internet-Zeit tatsächlich vorherrschte, ist überhaupt nicht belegt. Die in den 70er Jahren von Elisabeth Noelle-Neumann aufgestellte Theorie besagt in groben Zügen, dass Menschen, die gefühlte Minderheitenmeinungen vertreten, ihre Meinung nicht öffentlich vertreten würden, weil sie Angst vor Isolation hätten. Sie schweigen lieber. Was Mehrheits- und was Minderheitsmeinung ist, würde durch die Massenmedien definiert.
Das klingt nett, konnte aber kaum empirisch fundiert nachgewiesen werden. Es ist nur eine Theorie unter vielen in der Medienwirkungsforschung. Und sie teilt das Schicksal all dieser Theorien, dass sie schwerlichst in Untersuchungen zu belegen sind.
Dass nun Pew Research bei einer Befragung von gut 1.800 Menschen herausgefunden haben will, dass die Schweigespirale – anders als von vielen angeblich erhofft – auch im Internet weiterlebe, besagt also nichts. Gar nichts. Denn es ist noch nicht mal zweifelsfrei bewiesen, dass die Schweigespirale überhaupt jemals geboren wurde und somit tatsächlich existiert hat.
JÜRN KRUSE
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