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Archiv-Artikel

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Als 2012 die erste große Debatte über das sogenannte Blackfacing geführt wurde, also der Auftritt schwarz angemalter weißer Schauspieler als Theaterafrikaner als rassistische Darstellungspraxis diskutiert wurde, damals, als auch das N-Wort endlich ins Wörterbuch des Unmenschen verbannt wurde, rief es unisono aus dem weißen Feuilleton: Was haben wir damit zu tun? Das ist ein Problem der USA mit ihrer Sklavereigeschichte oder von Ländern mit Kolonialhistorie. Aber doch nicht unseres. Deswegen wollen wir weiter blackfacen dürfen, das N-Wort benutzen. Im Namen der Freiheit der Kunst! Inzwischen sind diese Stimmen etwas kleinlauter und dafür diejenigen um so vernehmlicher geworden, die davon reden, was dieses Land eben doch mit der Kolonialgeschichte zu tun hat (die zum Beispiel 1884 in Berlin mit der sogenannten Kongokonferenz einen schaurigen Höhepunkt erreichte). Und dass nicht alle Deutschen weiß sind, aber als Geschichte der Deutschen bislang nur die Geschichte der weißen Deutschen gilt. Diesen Sachverhalt nimmt das Stück „Schwarz gemacht“ im English Theatre Berlin genauer unter die Lupe. Es ist im Berlin des Jahres 1938 angesiedelt und erzählt die Geschichte eines patriotischen afrodeutschen Schauspielers, der, um seiner Naziheimat zu dienen, freudig in Propagandafilmen mitspielt, die die Rückgabe der nach 1918 verlorenen Kolonien fordern. Eines Tages trifft dieser Mann einen afroamerikanischen Musiker und lernt, Fragen zu stellen. Was wiederum die Zuschauer zu der Frage führen soll: Wer darf eigentlich wen definieren? (English Theatre Berlin: „Schwarz gemacht“, ab 26. 2., 20 Uhr)

Einen Identitätstrip an die Grenzen von Heimat und Identität verspricht auch die neue Produktion vom Heimathafen Neukölln. „Baba“ ist der Abend überschrieben, dritte Folge der Neukölln Trilogie, die mit „Arabboy“ und „Arabqueen“ bereits heftig (und zur Begeisterung der Zuschauer) die Klischees durchgeschüttelt hat. Die Frontlinien des nächsten Heimatabends von Nicole Oder verlaufen zwischen Darmstadt und Bagdad (Heimathafen Neukölln: „Baba“, ab 21. 2., 19.30 Uhr).

Aber natürlich kommt auch der weiße Durchschnittsdeutsche nicht ganz ohne Identitätskrise aus. Im Gegenteil, möchte man sagen, denn dieser Typus ist die Identitätskrise in Person. Von den jüngeren Autoren hat das Thema keiner so schön und stilblütenreich wie Nis-Momme Stockmann literarisch umzingelt. Sein Stück über ein trostloses Nest an der B 1, „Der Freund krank“, hat in den Kammerspielen des Deutschen Theaters nun Milan Peschel inszeniert (Deutsches Theater „Der Freund krank“, ab 22. 2., 20 Uhr).