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Archiv-Artikel

Tausende Empfänger von Hartz IV sitzen im Dunkeln

ALG II Der Regelsatz reicht nicht aus, um den Strom zu bezahlen, kritisieren Schuldnerberater und Caritas

Langzeitarbeitslosen fehlt oft das Geld für energieeffiziente Elektrogeräte

BERLIN taz/ddp | Nicht nur für Kinder sind die Leistungen des Hartz-IV-Regelsatzes zu knapp bemessen. Darauf hat am Mittwoch die gemeinnützige Schuldnerberatung GVS aus Berlin hingewiesen. „Hartz-IV-Empfänger bekommen zu wenig Geld, um ihren Strom zu bezahlen“, erklärte Sven Gärtner, GVS-Hauptgeschäftsführer. So gäben Bundesbürger laut Statistischem Bundesamt im Monat durchschnittlich 37,97 Euro für ihre Stromrechnung aus, im Hartz-Regelsatz seien dafür aber nur 22,62 Euro vorgesehen, erläuterte Gärtner. Um die monatliche Differenz von 15,35 Euro aufzubringen, müssten Hartz-IV-Empfänger an „ohnehin schon knapp bemessenen Ausgaben für Lebensmittel oder die Kinder sparen“.

Die Kosten für Strom, der nicht für das Beheizen der Wohnung verbraucht wird, müssen laut Sozialgesetzbuch aus dem Regelsatz von derzeit 359 Euro bestritten werden. Problematisch daran ist, dass sich die Stromkosten laut Statistischem Bundesamt zwischen Januar 2005 und Januar 2010 um rund 25 Prozent erhöht haben. Dazu kommt, dass der Energieverbrauch von ALG-II-Empfängern häufig über dem Durchschnitt liegt. „Aber nicht weil die Leute extra viel verbrauchen, sondern weil sie viel mehr Zeit als andere zu Hause verbringen und kein Geld haben, um sich energieeffiziente Geräte anzuschaffen“, erklärte Gärtner. Die Folgen: Hartz-IV-Empfänger sehen sich mit Nachforderungen, die oft deutlich über 15 Euro liegen, konfrontiert. „Energiesparberatungen in anderen Bundesländern berichten von demselben Problem“, erläuterte Gärtner. Allein in Berlin sei 20.000 Hartz-IV-Haushalten im Jahr 2009 zeitweise der Strom abgestellt worden.

Auch bei der Caritas kennt man das Problem. „Die Stromfrage ist existenziell. Wird nicht bezahlt, dreht der Anbieter sofort den Hahn zu“, erläuterte Caritas-Sprecherin Barbara Fank-Landkammer. Sie fordert, im Regelsatz auch die normale Preissteigerung zu berücksichtigen.

Seit 2009 schickt die Caritas in 70 Städten und Gemeinden Stromsparhelfer in die Haushalte von Arbeitslosen. Sie geben Tipps und leisten kostenlose Soforthilfe, indem sie beispielsweise Energiesparlampen oder Energy-Saver für TV-Geräte installieren. „Jährlich können Haushalte so im Schnitt 92 Euro einsparen. Es löst aber nicht das Problem, dass energieeffizientere Geräte benötigt werden“, sagte Fank-Landkammer. EVA VÖLPEL