: World Wide Terror
PRIME TIME In einem etwas zur Panik neigenden Themenabend beschäftigt sich die ARD heute mit dem Schwerpunkt Identitätsdiebstahl im Internet. Es beginnt knackig mit dem Film „Im Netz“ (20.15 Uhr)
VON SVEN SAKOWITZ
Die Prime Time beginnt im Ersten heute Abend ziemlich knackig: Ein Sondereinsatzkommando der Polizei holt die Unternehmensberaterin Juliane Schubert (Caroline Peters) mitten in der Nacht aus dem Bett. Auf der Wache wirft man der schockierten Frau vor, dass sie eine Wohnung gemietet habe, in der ein terroristischer Anschlag vorbereitet wurde. Ihr Name und ihr Konto tauchen in allen Transaktionen auf. Schnell wird klar: Juliane Schubert wurde Opfer eines Identitätsdiebstahls, sprich: irgendjemand hat ihren Rechner gehackt, ihre Daten und ihr Bankkonto ohne ihr Wissen verwendet.
„Im Netz“ heißt der solide Thriller, in dem sich die zunächst Verdächtigte eigenständig auf die Suche nach den Tätern macht (Regie: Isabel Kleefeld, Buch: Ulli Stephan). Dabei verwandelt sie sich in eine von Misstrauen und Verfolgungswahn gepeinigte und gehetzte Frau. War es der neue Nachbar? Der Arbeitskollege? Oder gar ihr Freund? Caroline Peters spielt großartig, sie soll in Zukunft bitte viel häufiger im Fernsehen zu sehen sein. Insgesamt geht der mit etwas verschwörungstheoretischem Zinnober versehenen Produktion leider auf der Hälfte der Strecke die Luft aus.
Was ein bisschen verwunderlich ist: „Im Netz“ ist der Auftakt zum Themenabend Identitätsdiebstahl, gleich im Anschluss läuft die Doku „Die Spur der Datendiebe“. Laut ARD-Programmdirektor Volker Herres sollen die Themenabende Diskussionen zu Fragen anregen, die von besonderer gesellschaftlicher Relevanz sind. Der Stoff ist nicht schlecht gewählt, aber dass Menschen wegen Identitätsdiebstahls unter Terrorverdacht geraten, ist bis jetzt eigentlich kein Massenphänomen. Gerade in Deutschland, wo die Debatten rund um die Bereiche Internet und Datenschutz oft an der Grenze zur Hysterie geführt werden, trägt so ein Spielfilm zum Auftakt eines Schwerpunktabends sicher nicht zu einer gelassenen Grundstimmung bei den Zuschauern bei.
Weniger problematisch sieht das die verantwortliche Redakteurin Barbara Buhl, Leiterin der WDR-Programmgruppe Fernsehfilm und Kino: „Die Zuschauer sind genrefest und erkennen, dass ,Im Netz‘ keine Doku, sondern in erster Linie ein unterhaltender Thriller sein soll. Und zwar einer, der zwar auf Fakten basiert, aber dennoch stark zugespitzt ist. Größere Ängste wird er sicher nicht auslösen.“ Wichtig ist ihr die Kombination mit der anschließenden 30-minütigen Dokumentation: „Sie hat die Aufgabe, auf die Relevanz des Themas hinzuweisen. Klar zu machen, dass wir keine komplett utopische Geschichte erzählt haben, sondern dass Identitätsdiebstahl millionenfach auf der Welt passiert und auch jeden von uns treffen kann.“
Das klingt auch ein bisschen schrill, aber die Doku von Dorina Herbst ist weniger aufgeregt, als gedacht und bietet in 30 Minuten einen guten Einblick; die Relevanz des Themas wird mit Zahlen belegt und nicht mit einer „Es wird alles immer schlimmer“-Haltung. Die eine oder andere Szene ist bereits bekannt, denn die Doku ist eine überarbeitete Fassung der Produktion „Die dunkle Seite des World Wide Web“, die im Februar bei Arte lief. In den besten Passagen zeigt der BKA-Mann Mirko Manske, wie die Underground Economy funktioniert und wie man sich dort mal eben 500 Kreditkarteninfos organisieren kann. Manske vertieft einzelne Aspekte auch in einem Videoblog, der auf der Website zum Themenabend steht. Dort ist ungewöhnlicherweise auch der komplette Spielfilm bereits seit einer Woche abrufbar. „Wenn man sich thematisch mit dem Internet beschäftigt, dann sollte man auch im Internet präsent sein“, erklärt Barbara Buhl dieses Experiment. „Wir sind ohnehin mit unseren fiktionalen Programmen im Netz unterrepräsentiert, da sollten wir diese Gelegenheit nutzen. Wir hoffen, dass wir dort die jüngeren Leute erreichen, die die ARD zum Teil gar nicht mehr finden.“ Dass dadurch die Quote leidet, glaubt sie nicht: „Unsere Experten sagen, das kannibalisiert sich nicht. Im Internet gucken andere Leute, und sie sehen sich meistens nicht den ganzen Film an. Wir haben die Hoffnung, dass einige Zuschauer im Internet aufmerksam werden und dann das Erste einschalten, um sich beide Produktionen komplett anzusehen.“