: Sanfte Revolution
RELAUNCH Die Kultursendung „Aspekte“ (23.00 Uhr, ZDF) wurde generalüberholt. Kulturchef Daniel Fiedler erklärt den Verjüngungsprozess – den man nicht so merken soll
VON DAVID DENK
Gewissenhafte Vorbereitung ist alles. Um Jo Schück auf seinen neuen Job als „Aspekte“-Moderator einzustimmen, auf die ganze Breite des kulturellen Spektrums, hat sein Chef Daniel Fiedler ihn in ein klassisches Konzert eingeladen. „Wenn man abends gemeinsam unterwegs ist, entsteht manchmal mehr als in Redaktionssitzungen“, sagt Fiedler. Als Leiter der rund 30-köpfigen Redaktion Kultur Berlin des ZDF habe er eben keinen Nine-to-five-Job.
Wie zum Beweis hat der 47-Jährige nur morgens um halb neun Zeit für ein Gespräch über „die umfassendste und am deutlichsten sichtbare Veränderung in der 49-jährigen Geschichte des Formats“. „Aspekte“ ist älter als Fiedler – und sah manchmal leider auch so aus. Nach dem Weggang von Luzia Braun und Wolfgang Herles 2011 stehen die neuen Moderatoren Katty Salié (38) und Tobias Schlegl (36), dabei seit 2012, und, ganz neu im Team, Jo Schück (33) für eine recht deutliche Verjüngung der Sendung, die künftig jeden Freitag um 23 Uhr live im ZDF-Hauptstadtstudio über die Bühne gehen wird – mit je zwei Moderatoren, (musikalischen) Gästen und vor Publikum. „Wir wollten die starren Grenzen des Magazinformats sprengen, nicht mehr nur Beiträge aneinanderreihen“, sagt Fiedler, „sondern vielfältiger, überraschender, meinungsfreudiger werden.“ Dafür bleiben nun 45 statt 30 Minuten Sendezeit – fürs ZDF laut Fiedler eine „mittlere Revolution“.
Im Anschluss an das Gespräch muss Fiedler in eine Sondervorführung des vom Mainzer Sender koproduzierten Kinothrillers „Stereo“. Neben der Band Maximo Park und Berlinale-Chef Dieter Kosslick sind die beiden Hauptdarsteller Moritz Bleibtreu und Jürgen Vogel am Freitag zu Gast in der ersten neuen „Aspekte“-… – ja, was ist das jetzt eigentlich: eine Show? Fiedler winkt ab. Der deutsche Klang des Wortes behagt ihm nicht. „Aspekte“ sei „eine Fernsehsendung über Kulturthemen“, sagt er und legt Wert darauf, auf intelligente Weise unterhalten zu wollen, wofür die „heute-show“ ja „das ideale Vorlaufprogramm“ sei. Sogar „ein bisschen satirisch angehaucht“ wolle das neue „Aspekte“ mitunter sein.
Bevor Fiedler vor einem Jahr Gründungschef der zentralisierten Berliner Kulturredaktion wurde, leitete er den mittlerweile so gut wie wegrationalisierten Digitalkanal ZDF Kultur, der mit innovativen Formaten wie der Talkshow „Roche & Böhmermann“ auf sich aufmerksam machte. Ein Rebell möchte Fiedler trotzdem nicht sein. Das käme im Haus wohl nicht so gut an. Es gehe ihm um eine „evolutionäre Weiterentwicklung“ von „Aspekte“, einen „andauernden Prozess“, nicht um Tabula rasa, sagt Fiedler. „ZDF Kultur kapert definitiv nicht das Hauptprogramm.“ Zugleich spricht er von einer „thematischen und formalen Öffnung“ – mehr Popkultur, mehr Themenblöcke. „Eine Konzentration bauen“ nennt Fiedler das.
Es ist ein bisschen verwirrend und doch eigentlich ganz klar: Daniel Fiedler will „Aspekte“ modernisieren, neue Zuschauer gewinnen, ohne das Stammpublikum zu verprellen, und auch seine Mitarbeiter muss der in der Anstaltszeitrechnung immer noch „Neue“ mitnehmen. Daher bringt er das Kunststück fertig, die Veränderungen kleinzureden, während er sie bewirbt – ein ziemlicher Krampf, oder? „Ich glaube nicht, dass das Krampf ist“, sagt er. Es ist öffentlich-rechtliches Fernsehen, möchte man anfügen: Ist Veränderung nur gut, wenn man sie nicht merkt? „Doch, in der Rückschau wird man sie deutlich merken. Den Zuschauer vor den Kopf zu stoßen bringt aber doch nichts.“
Auch rhetorisch ist Fiedler also im Hauptprogramm angekommen. Trauert er noch um ZDF Kultur? „Ja.“ Die Antwort kommt blitzschnell. Es sei eine besondere Zeit gewesen, sagt er, vergleichbar mit den knapp drei Jahren „Berliner Seiten“ im FAZ-Feuilleton. „Ich glaube, es gibt im Berufsleben nur wenige Chancen, wo man alle Freiheiten hat, etwas ganz neu zu definieren.“
Die Bretter, die es für Fiedler zu bohren gilt, sind nicht gerade dünner geworden. Wie schön, wenn man entspannt ins Konzert gehen kann.