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Archiv-Artikel

DER TREND GEHT ZUR UNTERUNTERVERMIETUNG Wohnung frei für Touristen

Viele Ferienwohnungen werden aus schierer Not vermietet

VON HELMUT HÖGE

Statt gegen den Mietwucher der Immobilienkonzerne und Wohnungsbaugesellschaften vorzugehen, der ganze Viertel asozialisiert, soll es nun deren leidenden Mietern an den Kragen gehen: all jenen meist prekär Beschäftigten, die ihre immer wieder erhöhte Miete nicht mehr zahlen können. Sie müssten „zusammenrücken“, schrieb ein Boulevardblatt – indem sie ehemalige Kinderzimmer oder Arbeitsräume opfern, um sie ab und zu für, sagen wir, 250 Euro im Monat an Touristen oder Gaststudenten zu vermieten. Nicht wenige Leute leben in dafür ungeeigneten Wohnungen und vermieten diese deswegen komplett, während sie bei Freunden unterkommen. Meist annoncieren sie im Internet.

Zimmer oder ganze Wohnungen/Flats/Apartments tageweise zu vermieten bringt natürlich mehr: „Zwischen 50 und 80 Euro“, behauptete das Magazin Focus zu Jahresbeginn in einem Artikel über Pankow, wo die Zahl der „illegal betriebenen Fremdenzimmer dramatisch zugenommen“ habe – davon sei der grüne Stadtrat für Stadtentwicklung überzeugt. Der erwähnt darüber hinaus 1.500 Wohnungen, die „nicht mehr regulär vermietet werden, sondern tageweise an Touristen“. Das bringe dem Vermieter drei- bis viermal so viel wie die Monatsmiete ein.

In dem vornehm und ökologisch werdenden Bezirk sind es vor allem Besitzer von Eigentumswohnungen aus dem Westen, die woanders leben oder mehrere Immobilien besitzen, die sie deswegen gerne mal für eine Zeit vermieten oder Freunden überlassen. Die immer immobilienfreundliche Berliner Morgenpost war sich dann auch sicher: „Einige Eigentümer geraten zu Unrecht ins Visier der Behörden“, welche bei günstiger Beweislage „hohe Strafen“ (bis 50.000 Euro) verhängen könnten. Überhaupt seien „Wohnungsnot und Umnutzung von Wohnraum im Wahlkampf zu wichtigen Themen avanciert. Die Schuld für steigende Preise wird dabei gerne bei Vermietern gesucht. Fehler in der Raumplanung und Stadtentwicklung werden weniger gern zugegeben.“ Mit solchen Darstellungen wird das Problem der massenhaften Untervermietung aus Armut unter den Tisch gekehrt.

Hamburg erließ schon 1982 ein „Wohnraumschutzgesetz“. Wenig später wurde das auch in Westberlin diskutiert, als in Charlottenburg reihenweise Altbauwohnungen für Anwalts- und Arztpraxen „freigemacht“ wurden, weil die mehr Miete brachten. Das gelegentliche Vermieten des privaten Erstwohnsitzes fällt in Hamburg nicht unter das „Zweckentfremdungsverbot“, jedoch wird nicht unterschieden zwischen dem Nebenverdienst eines Immobilienbesitzers und dem eines Mieters, der ohne temporäre Untervermietung die Miete nicht zusammenkriegt.

Angriff aufs Eigentum!

Dabei trifft das Zigtausende, auch in Berlin. Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und Mietervereine bezeichnen Berlin sogar als Problemregion Nummer eins: Etwa ein Viertel der Bewohner (nicht gerechnet die „Illegalen“) sei von Armut bedroht. Es wehren sich gegen die „Internetrecherchen“ der Stadtverwaltung, die an den ganzen privat untergekommenen Berlinbesuchern mitverdienen will, bislang nur die Wohnungs- und Hausbesitzer: „Ein massiver Eingriff in die Grundrechte“, meinen ihre Anwälte: „Das Recht auf Eigentum wird angegriffen.“

Eine Studie der Humboldt-Uni schätzt die Zahl der „Touristen-Apartments“ in Berlin auf 7.000. Deren Eigentümer haben sich jetzt laut Morgenpost zu einer „Apartment-Allianz“ zusammengeschlossen, ein Sprecher erklärte kürzlich auch, warum: „Ferienwohnungen“ seien „eine Bereicherung für die Stadt“. Die armen Mieter dagegen, die gegen Bezahlung gelegentlich „Gäste“ in ihre Wohnung aufnehmen, ziehen eher den Kopf ein, hoffen, dass sie nicht erwischt werden mit ihrer Schwarzvermietung und dass ihre „Gäste“ sich gegenüber den anderen Mietern im Haus anständig verhalten.

Vor einiger Zeit überließ der Mieter über mir seine Wohnung zwei bulgarischen Touristen und ging wohlgemut auf Reisen. Die Bulgaren hatten gute Gründe, sich unauffällig zu verhalten: Es waren Schlepper, die auf Geld von vier im Wedding anschaffenden Prostituierten warteten, wie später die Polizei herausfand, als sie in der verlassenen Wohnung die Pässe der Frauen unterm Teppich fand.