: Die Wissenschaft mag Mondkalender nicht
AGRARFORSCHUNG Der einzige Lehrstuhl für biologisch-dynamischen Landbau soll nach dem Willen der Uni Kassel 2011 schließen. Der Hochschule reichen die Forschungsergebnisse der umstrittenen Professur nicht
BERLIN taz | Die Universität Kassel will die weltweit einzige Professur für biologisch-dynamische Landwirtschaft abschaffen. Diese Absicht werde Uni-Präsident Rolf-Dieter Postlep am Mittwoch den Vertretern von Professoren, Mitarbeitern und Studenten auf einer Fachbereichsratssitzung erläutern, sagte Pressesprecher Guido Rijkhoek. Der Lehrstuhl solle zum Sommersemester 2011 auslaufen.
Die biologisch-dynamische Landwirtschaft unterscheidet sich von der „normalen“ ökologischen vor allem in der Anwendung von „Präparaten“ aus Mist, Heilpflanzen und Mineralien, die zum Beispiel die Bodenfruchtbarkeit fördern sollen. Zudem glauben viele daran, dass die Mondphasen das Pflanzenwachstum bedeutend beeinflussen. Biodynamisch hergestellte Lebensmittel werden oft unter der Marke Demeter verkauft.
Die meisten Wissenschaftler sind aber der Meinung, dass die biodynamischen Methoden weder die Ernte reicher noch die Lebensmittel gesünder machen. Dem wollten die Software AG Stiftung, die Biosupermarktkette Alnatura und andere Stifter Wissen entgegensetzen, indem sie 2005 die Personalkosten für sechs Jahre in Höhe von insgesamt 1,1 Millionen Euro für die Finanzierung der Professur zusagten. Doch der Uni-Leitung scheinen die Ergebnisse nicht zu genügen. „Der Fachbereich hat in den vergangenen Jahren erprobt, ob es möglich ist, Themen der biologisch-dynamischen Landwirtschaft wissenschaftlich zu fundieren“, erklärt Präsident Postlep. „Die Voten der externen Gutachter machen deutlich, dass dies in einem universitären Umfeld mit den dort gültigen wissenschaftlichen Standards nur in sehr engen Grenzen möglich wäre.“ Deshalb will die Uni trotz des Protests von Studenten sogar das Angebot der Stifter ausschlagen, die Professur weitere zwei Jahre zu finanzieren.
Lehrstuhlinhaber Ton Baars dagegen meint: „Wir sind sehr erfolgreich.“ Er habe zum Beispiel nachweisen können, dass Patienten mit einer Kuhmilchallergie dennoch biodynamisch erzeugte Rohmilch vertrügen. Auf Nachfrage erklärt der Niederländer jedoch, dass er nur mit konventioneller Milch verglichen habe, die zudem viel stärker behandelt war. Der Beweis, dass biodynamisch besser ist als normal ökologisch, könne erst später erbracht werden. Aber ist das nach fünf Jahren Professur nicht ein bisschen wenig? Baars: „Kann alles sein, ich weiß es aber nicht.“
Auch zu den Präparaten forschte der Professor. Erste Versuche hätten keine Wirkungen nachgewiesen, sagt er. „Ich habe mich geweigert, das zu veröffentlichen. Ich wollte erst überprüfen, ob es an der Qualität der Präparate lag.“ In neuen Experimenten seien zum Beispiel Tomatenpflanzen schwerer gewesen als Pflanzen, die nicht mit Präparaten behandelt wurden. Doch Zahlen hat er dafür nur für die Anfangsphase des Wachstums, sie beziehen sich keinesfalls auf die Ernte.
Dennoch schreibt Baars: „Vielleicht erlebt mich die heutige Wissenschaft als Ketzer, doch das gehört dazu, wenn man neue Forschungsgebiete eröffnet.“
JOST MAURIN