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Archiv-Artikel

Bunt am Schwirren

LITERATURADAPTION Michel Gondry verniedlicht Boris Vians Romandebüt „Der Schaum der Tage“

Zu swingendem Jazz rasen alte Schreibmaschinen auf einer Leine an tippenden Händen vorbei: jedes Paar nur ein Satz. Großaufnahme: „Colin terminait sa toilette“, steht da, die ersten Worte von Boris Vians Liebesroman „Der Schaum der Tage“ von 1946. Kann und sollte man so verstehen, dass Colin seine Hygieneroutine zum Beschluss bringt. Oder man sieht darin die Zerstörung sanitärer Anlagen bezeugt.

Michel Gondry, ums kreativ sprudelnde Missverständnis nie verlegen, entscheidet sich für Letzteres: Schon hat Colin den Bohrer angesetzt, zerschlägt den Boden seiner Badewanne und lässt das Wasser ins Stockwerk darunter ab. Auch hier nichts Böses im Argen: Die dort lebende Frau gönnt ihren Pflanzen einfach ein bisschen Regen.

Ein anarchischer Gag gleich zu Beginn, der zugleich das visuelle Konzept von Gondrys Übertrag des Romans ins Kino veranschaulicht: Was sich an Sätzen und Bildern aus Vians bittersüßer Liebesgeschichte zwischen dem Erfinder Colin, der alles hat außer der wahren Liebe, und Chloé, die diesen Mangel zwar beseitigt, doch nach der Heirat tödlich erkrankt, buchstäblich ins Bild setzen lässt, landet dort auch so. Wirft man es Literaturadaptionen gerne vor, wenn sie sich sklavisch ans Wort halten, so ergibt sich gerade daraus in Gondrys „Schaum der Tage“ der nötige ästhetische Überschuss. Es hat hier also, wie bei Gondry schon länger nicht mehr, ein einziges Flauschen und Kruspeln und Wuseln.

Es flattert die Liebe, es jauchzt die Stopmotion, es flickert die Rückprojektion. Aus Tand und obsoleter Technik wird in liebevoller Zuwendung eine selbsterbastelte Welt, der Böses nicht eignet. Auch dort nicht, wo im realen Leben Entfremdung droht. Sie ist solange bunt am Schwirren, wie die Liebe rosa bleibt.

Doch mit Chloés Siechtum verendet auch der Film, der aus dem schönen Tod der einen das schöne Leid des anderen und dabei sich selbst fahl und grau macht. Allerdings ein wenig lang, was auch Gondry gedämmert haben mag: Lief sein Film in Frankreich über zwei Stunden, präsentiert er ihn im Ausland lediglich als 90-minütigen Rumpf, der sich eher auf den Sonnenschein konzentriert.

Mit dem Motiv des hyperaktiven Mannes, dem eine Frau aus den hektisch nach ihr greifenden Fingern zu gleiten droht, ist Gondry nach seinem Ausflug in den US-Mainstream wieder ganz am Kern seines filmischen Werks angelangt, gestalterisch ja ohnedies. Ein bisschen marottig wirkt dies mittlerweile allerdings schon. Am Basteltisch sind ihm die Menschen abhanden gekommen. THOMAS GROH

■ „Der Schaum der Tage“. Regie: Michel Gondry. Mit Audrey Tatou, Romain Duris u. a. Frankreich 2013, 94 Min.