: Trafo brennt in Brunsbrüttel
ATOM Wieder Probleme in einem Kernkraftwerk von Vattenfall. Unternehmen spricht von „leichter Flammenentwicklung“. Regierung prüft längere Laufzeiten von bis zu 28 Jahren
■ Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans hat Pläne einer Verlängerung der AKW-Laufzeiten um 28 Jahre dementiert. Hierbei handele es sich bislang nur um ein Rechenmodell, betonte Steegmans am Freitag. Es gebe bei den verschiedenen Modellrechnungen „keine Präferenzen“.
■ Das sehen die Kritiker naturgemäß anders. „Die 28 Jahre sind das wahre Gesicht der CDU“, erklärte Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin der Grünen. „Alle taktischen Bemühungen Röttgens, sich ein grünes Alibi-Mäntelchen umzuhängen, wurden von den Hardlinern zunichte gemacht.“
■ „Bevor der erste Wissenschaftler seinen Rechner anstellt, hat die Koalition bereits festgelegt, dass die Atomreaktoren in Deutschland länger laufen“, urteilt Nabu-Präsident Olaf Tschimpke. Schließlich gebe es keinen Auftrag, eine Option zu prüfen, nach der die Restlaufzeiten der Atommeiler gar nicht verlängert werden. (RENI)
VON NICK REIMER
Feuer im AKW Brunsbüttel: In der abgeschalteten Atomanlage brannte nach Angaben der Kieler Atomaufsicht am Donnerstag ein Transformator. Vattenfall sprach von leichter Flammenentwicklung an einem mit Öl gefüllten Überspannungsableiter. Diesmal handelte es sich um einen sogenannten Eigenbedarfstransformator, der Strom aus dem öffentlichen Leitungsnetz zum Kraftwerk leitet, wenn es nicht selbst produziert. Was derzeit der Fall ist: Vattenfalls Pannenreaktor steht seit 2007 still.
„Das hat schon Seltenheitswert, dass wir gerufen wurden“, erklärt Stephan Zollmer, Leiter der Feuerwehr Brunsbüttel. Zwar seien seine Leute nicht zum Einsatz gekommen, weil die Betriebsfeuerwehr den Brand selbst unter Kontrolle brachte. Aber er könne sich nicht erinnern, wann und ob die Brunsbüttler Feuerwehr zuletzt, abgesehen von Übungen, vom AKW angefordert wurde.
Es geht um die Netzanbindung der AKWs: Kraftwerke sind über zwei Transformatoren mit dem Stromnetz verbunden: Der Maschinentrafo ist über eine 320-Kilovolt-Leitung mit dem Hochspannungsnetz verbunden, der Fremdnetztrafo meist über eine 110-Kilovolt-Leitung. Im Juni 2007 war es im Vattenfall-AKW Krümmel zu einem Brand im Maschinentransformator gekommen, woraufhin eine Reaktorschnellabschaltung eingeleitet wurde und die Versorgung über den 110-Kilovolt-Fremdnetztrafo abgewickelt wurde. Ein solcher ist nun in Brunsbüttel nicht mehr einsatzfähig.
Der Brand in Krümmel hatte seinerzeit erhebliche Auswirkungen: In Hamburg fielen über 1.000 Ampeln und U-Bahnen aus, kurze Zeit später schaltete sich aus bislang ungeklärtem auch das AKW Brunsbüttel ab. Vattenfall geriet wegen seines Informations- und Krisenmanagements schwer in die Kritik, die schwedische Mutter ersetzte die gesamte Führungsriege in Deutschland.
Zwei Jahre später erhielt Vattenfall im Juni 2009 die Genehmigung, Krümmel wieder anzufahren. Man habe „mit größter Sorgfalt und umfassend die Beseitigung der Mängel überwacht“ und dabei „strengste Maßstäbe“ angelegt, begründete die für Atomaufsicht zuständige Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD). Anfang Juli – das AKW hatte gerade seine Nennleistung erreicht – kam es zu einem neuerlichen Defekt des Maschinentransformators. Wiederum schaltete sich das AKW ab, seitdem steht es still.
„Kernkraftwerk, Transformator, Brand, Vattenfall – da werden schlimme Erinnerungen wach“, erklärte Oliver Breuer, Sprecher des Kieler Justizministeriums, bei dem jetzt die Atomaufsicht angesiedelt ist. Deshalb habe sein Ministerium auch die Öffentlichkeit informiert. Zwar sei noch nicht klar, ob es sich bei dem Brand um ein meldepflichtiges Ereignis handele. „Aber schließlich ist die Brunsbüttler Feuerwehr mit Alarm angerückt.“ Schon allein deshalb bestehe öffentliches Interesse.
Immer wieder Vattenfall: Sind die Transformatoren anderer AKWs in Deutschland sicherer? Nach der neuerlichen Abschaltung 2009 war bekannt geworden, dass der neue Transformator, den Vattenfall in Krümmel eingebaut hatte, nicht neu, sondern ein Reservegerät des AKWs Grohnde war. Sicherheitsexperten weisen jedenfalls auf die Lage der Vattenfall-AKWs hin: an einem Ende des deutschen Stromnetzes. Damit seien sie besonders häufig mit Netzunregelmäßigkeiten konfrontiert. Würde beispielsweise ein Hase in Süddeutschland in eine Umspannstation rennen und einen Kurzschluss dieser Station verursachen, laufe dieser Kurzschluss durchs ganze Netz bis an sein Ende in Norddeutschland – wo dann bei Vattenfall die Sicherung durchbrennt, wie jetzt der Überspannungsableiter in Brunsbüttel.
Mit „Unregelmäßigkeiten“ ist nun auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) konfrontiert. Nach einem Telefonat mit Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) ist Röttgen nun doch bereit, für das energiepolitische Gesamtkonzept auch längere Atom-Laufzeiten bis zu 28 Jahren berechnen zu lassen. Eine politische Schlappe für den Umweltminister: Zuerst hatte er erklärt, „Kernkraft hat keine hinreichende Akzeptanz in der Bevölkerung“, weshalb auch die Union auf die Erneuerbaren setzen solle. Dann hatte er sich dafür eingesetzt, die Regellaufzeit von 32 Jahren um höchstens 8 Jahre zu verlängern. Noch am Mittwoch hatte Röttgen gesagt, es gehe um „maximal 20 Jahre“.