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Archiv-Artikel

Geschlossene Gesellschaft

WANDEL Beim „Medienforum NRW“ in Köln waren alle da – nur die Wichtigsten nicht: die Nutzer

„Das ist ein welthistorischer Umbruch, den wir jetzt erleben“

Ob in München, Berlin oder anderswo – jedem Medienstandort sein eigener Medienkongress. Da treffen sich dann seit Jahren immer wieder dieselben Leute, um dieselben Themen zu besprechen. In Nordrhein-Westfalen sollte es in diesem Jahr anders sein. Die Verantwortlichen hatten sogar angekündigt, sie wollten das „Medienforum NRW“ neu erfinden.

Das Ergebnis: eine geraffte Veranstaltung, die von den Kölner Messehallen in eine schönere Location im Herzen der Domstadt verlegt worden war. „Die Richtung stimmt“, relativierte der NRW-Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann nach dem Branchentreff seine Ankündigung.

Der Kongress jedenfalls spiegelte erneut die Ratlosigkeit der kompletten Branche gegenüber einem Wandel wider, der schon längst nicht mehr von den Entscheidern der klassischen Medienindustrie bestimmt wird. Und die waren, sagte Eumann, in einer Dichte vertreten, „die es in diesem Jahrtausend in Köln noch nicht gegeben hat“. Gefehlt haben nur die Nutzer, die jetzt selbst die Trends und Fragen vorgeben: Wie werden Medien heute reguliert? Wie werden Urheberrechte gewahrt? Wie werden die Daten der Bürger geschützt? Wie kann hochwertiger Journalismus zukünftig überleben? Welche Aufgaben kann und soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk überhaupt noch übernehmen?

„Das ist ein welthistorischer Umbruch, den wir jetzt erleben. Wir wissen nicht, wie in fünf Jahren die Medien aussehen werden.“ So formulierte es beispielsweise der Vorstand der Mediengruppe DuMont Schauberg Franz Sommerfeld. Die Verbindung von Text, Bild und Audio in einem weltweit zugänglichen Medium – das kommt der Erfindung des Buchdrucks gleich.

Tim Wu, Professor an der New Yorker Columbia University, mahnte die Politiker: „Stellen wir überhaupt die richtigen Fragen? Wir können lange diskutieren, wenn wir nicht über die richtigen Themen diskutieren.“ Das Internet zu regulieren, so Wu, sei letztlich nicht möglich. Aber wie wird dann geistiges Eigentum geschützt? In Europa ist die Kreativwirtschaft die drittgrößte Branche. Oder Armin Wolf. Der stellvertretende Chefredakteur des ORF beschrieb den Niedergang des Journalismus. Sein Hinweis auf staatliche Stiftungsmodelle, um unabhängigen Journalismus zu finanzieren, wird durch seinen eigenen Sender widerlegt: Es gibt kaum einen Sender in Europa, bei dem die politische Einflussnahme so stark ist wie beim ORF in Österreich.

Akzente wollte die NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft setzen: Noch in diesem Jahr möchte sie eine Bundesratsinitiative einbringen, damit Grundlagen zur Sicherung der Netzneutralität entstehen können. „Ein mittelfristiges Ziel wird sein, die Sieben-Tage-Regelung bei den Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender aufzuheben“, erklärte Eumann. Langfristig werde sich die Ministerpräsidentin zudem mit einer Neuordnung der Medienaufsicht befassen. In einer Zeit, in der sich die medialen Strukturen bereits globalisiert haben, scheint das System von Landesmedienanstalten, die jeweils nur für ein Bundesland agieren, fragwürdig.

Bezeichnenderweise kamen mit die stärksten Aussagen des Medienforums auf der Gala zum 25-jährigen Bestehen der Branchenveranstaltung von einem Veteran. Nachdem während des Dinners unter anderem Angela Merkels TV-Vergangenheit als Kandidatin 1992 beim Glücksrad dokumentiert worden war und Bertelsmann-Vorstand Thomas Rabe eine ermüdende PR-Ansprache zugunsten seines Konzerns abgehalten hatte, wetterte Jürgen Doetz, Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation: „Die Politiker sagen immer, wir müssen dringend etwas machen, aber es passiert nichts. Das ist das Problem aller Medientage. Warum keine Konvergenz der verschiedenen Veranstaltungen? Medienpolitik ist Gesellschaftspolitik.“ WILFRIED URBE, KÖLN