: Mit Bürokratie gegen Rassismus
POLIZEI Initiativen stellen ein vierseitiges Formular für Beamte vor, mit dem sie Racial Profiling verhindern wollen
■ Als Racial Profiling wird die Praxis der Polizei bezeichnet, Menschen allein aufgrund äußerer Merkmale, etwa der Hautfarbe, zu kontrollieren. Begründet wird dies meist mit möglichen Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht.
■ Das Oberverwaltungsgericht in Koblenz gab im Oktober 2012 einem Studenten recht, der sich gegen solch eine Kontrolle wehrte. Die Richter erklärten für unzulässig, die Hautfarbe zum Auswahlkriterium bei Personenkontrollen zu machen. In der Praxis ist dies gang und gäbe, vor allem an „kriminalitätsbelasteten“ Orten wie dem Görlitzer Park. (sum)
VON SUSANNE MEMARNIA
Die Geschichte von Dayo L. ist ein Paradebeispiel für rassistische Polizeikontrollen: Am 4. Juli 2013 war er auf dem Weg zu einer Grillparty im Görlitzer Park. Er sah, wie die Polizei Leute verhaftete, zumeist Schwarze. „Ich dachte mir nichts dabei, weil ich ja nichts verbrochen hatte“, erzählt der junge Mann, der seine Masterarbeit an der HTW schreibt. Als er kurz darauf mit seinen Freunden im Park zusammensaß, wurde er festgenommen – ihn als einzigen Schwarzen in einer Gruppe von Weißen pickte die Polizei heraus, legte ihm Handschellen an und nahm in mit.
Noch 13 Monate später ist L. die Erschütterung über die anschließende demütigende Behandlung durch die Polizei anzumerken. Am Mittwoch erzählt der Student sichtlich bewegt seine Geschichte in dem Räumen des Migrationsrats Berlin-Brandenburg in Kreuzberg. Dort stellten die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) und der Verein Reachout ein Formular vor, das sie für die Polizei entwickelt haben.
Die Idee der Initiativen ist, dass Polizisten das vierseitige Papier bei jeder Personenkontrolle ausfüllen: Es enthält Angaben zum Beamten, zum Kontrollierten, dessen Staatsangehörigkeit, Migrationshintergrund, zu äußeren Merkmalen wie Hautfarbe, Anlass der Kontrolle, ihrem Verlauf und dazu, ob sich später herausstellt, dass tatsächlich eine Straftat vorlag. „Das Formular soll dazu dienen, dass Menschen, die mit der Polizei konfrontiert werden, wissen, warum“, erklärt Biblab Basu von Reachout. Daher sollen die Kontrollierten auch eine Kopie bekommen. Aber auch für die Polizei sei das Formular eine hilfreiche Dokumentation ihrer Arbeit, findet Basu: „So können sie ungerechtfertigte Vorwürfe entkräften.“
Dayo L. hätte es zweifelsohne geholfen, wenn seine Verhaftung dokumentiert worden wäre. Wie er es schildert, wurde er trotz seiner Fragen nicht über den Grund seiner Festnahme aufgeklärt – „es hieß nur: ‚Halt’s Maul!‘“. Seine Beschwerden über zu feste Handschellen wurden ignoriert. Nach ein bis zwei Stunden Warterei in einem Bus ließ man ihn wieder laufen: „Eine Frau sagte, wir suchen nach Drogendealern und haben dich dafür gehalten.“ Sie habe sich sogar entschuldigt.
Sieben Monate später ging Dayo L. zur Ausländerbehörde, um sein Studentenvisum zu verlängern. „Dort fragte man mich, ob ich Probleme mit der Polizei gehabt hätte“, erzählt er. So kam heraus, dass die Polizei die Ausländerbehörde informiert hatte, L. sei wegen Marihuanabesitz belangt worden – weswegen er nur für sechs Monate ein Visum bekam anstatt wie sonst üblich für ein Jahr. Er selbst habe von diesen Vorwürfen oder Ermittlungen der Polizei jedoch nie etwas erfahren, sagt er. Schließlich nahm er sich einen Anwalt, um Akteneinsicht zu verlangen.
Beispiele wie dieses – auf der Webseite von KOP findet sich eine ganze Chronik solcher Fälle – zeigen für die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram eindeutig, dass es Racial Profiling bei der Berliner Polizei gibt. „Die Polizei verletzt hier Grundrechte und kriminalisiert dann auch noch im Nachgang die Betroffenen“, kritisiert die Abgeordnete. Das Beispiel mit der Ausländerbehörde mache zudem klar, dass es hierbei auch um institutionellen Rassismus geht: „Der zeigt sich ja daran, dass Menschen eine Dienstleistung des Staates, die ihnen zusteht, nicht bekommen.“
Solche institutionellen Praktiken zu ändern, ist allerdings schwierig. Der Fragebogen soll dabei helfen, hoffen Bayram und ihre Kollegen Hakan Tas (Linke) und Fabio Reinhard (Piraten). Die drei Oppositionsparteien haben KOP und Reachout zugesagt, die Idee ins Abgeordnetenhaus einzubringen. Aber auch das wird schwierig, weiß Tas: „Für den Polizeipräsidenten gibt es Racial Profiling nur als Einzelfälle.“ Um das zu belegen – oder auch das Gegenteil –, könnte das Formular hilfreich sein, sagt er. Für Reinhard hat es noch einen Zusatzeffekt: „Der damit verbundene Bürokratieaufwand könnte Polizisten auch von unnötigen Kontrollen abhalten.“
■ Mehr dazu: www.kop-berlin.de/chronik