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Archiv-Artikel

Digital Kills the Digital Star

ANTENNEN-TV Kaum ist die Umstellung auf DVB-T komplett, soll schon wieder ein neuer Standard her

Gerade haben sich die TV-Veranstalter darauf geeinigt, nun auch das Satellitenfernsehen zum April 2012 komplett zu digitalisieren, da steht schon die nächste Technik in den Startlöchern. Diesmal killt jedoch eine Digitaltechnik die andere. Die Pläne konkretisieren sich, schon bald die zweite Generation des terrestrischen Digitalfernsehens, kurz DVB-T2, einzuführen. Und diese Technik ist nicht abwärtskompatibel, das heißt: DVB-T(1)-Empfänger können die neuen Signale nicht empfangen.

Erfolgsgeschichte DVB-T

DVB-T ist eine Erfolgsgeschichte: im Sommer 2003 wurde – weltweit erstmals – in Berlin das analoge Antennenfernsehen nach einer zehnmonatigen Übergangszeit abgeschaltet. Die Zuschauer machten ohne Murren mit und kauften sich die anfangs mit 200 Euro recht teuren Set-Top-Boxen. Seit Ende 2008 ist kein analoger Sender in Deutschland mehr im Betrieb.

Waren es 2003 nur rund 3,7 Millionen der deutschen Haushalte, die ihr Fernsehprogramm per Hausantenne empfingen, sind seit Einführung des „Überallfernsehens“ mehr als 30 Millionen Empfangsteile verkauft worden, als Set-Top-Box, als integrierte Empfänger in neuen Flachbildschirmen oder als USB-Sticks, um bis zu 30 digitale TV-Programme zu empfangen.

Jetzt aber soll DVB-T2 kommen, so der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck auf der IFA. Und der Präsident der niedersächsischen Landesmedienanstalt, Andreas Fischer, will das in seinem Bundesland schon bis 2014 realisieren.

Warum die Eile? Lange galt unter den Rundfunkveranstaltern, Fernsehingenieuren und Landesmedienanstalten der Konsens, dass DVB-T2 in Deutschland unsinnig sei und besser geeignet für Länder, die jetzt erst ihr analoges Fernsehen auf digital umstellen. Klar: Man kann mit DVB-T2 mehr oder bessere Programme übertragen, zudem hochauflösende Bilder. Aber sollte man den Verbrauchern dafür schon wieder neue Endgeräte aufzwingen?

Vage Bekenntnisse

Mehr Programme sind wohl auch nicht nötig. Schon jetzt beteiligen sich in weiten Teilen Deutschlands die Privatsender gar nicht an der terrestrischen Verbreitung. Und auf der IFA waren auch von ARD und ZDF nur sehr vage Bekenntnisse zu DVB-T2 zu hören. Man will jetzt erst mal die Satellitenausstrahlung digitalisieren, auch das Kabel hat hohen Nachholbedarf.

Dass ausgerechnet Kurt Beck vorgeprescht ist, hat wohl ganz andere Ursachen. Hintergrund ist der Streit der Mitgliedsstaaten mit der Europäischen Union über die Frequenzpolitik. Die EU hatte den Fernsehveranstaltern im letzten Jahr größere Teile des TV-Frequenzbandes weggenommen und diese zur Versteigerung für neue Mobiltelefondienste freigegeben. Und sie will eine noch größere „digitale Dividende“ realisieren. Weitere, bis jetzt vom Fernsehen in Anspruch genommene Frequenzbereiche will Brüssel umwidmen. Dem wollen Medienpolitik und Rundfunkveranstalter mit breitbandigen neuen Angeboten wie HDTV etwas entgegenhalten und die Frequenzen besetzen, bevor sie weiterverkauft werden können.

Und ein Nebeneffekt wäre ja, dass 30 Millionen Empfangsgeräte mittelfristig neu beschafft werden müssten. Fragt sich angesichts der technologischen Halbwertszeit von DVB-T1 zu DVB-T2 bloß, wie oft die Verbraucher dieses Spielchen noch mitmachen.

JÜRGEN BISCHOFF