: Häuserkampf im Münz-Quartier
BESETZUNG Aktivisten aus dem Münzviertel erklären leer stehende Gehörlosenschule zu „Kollektivem Zentrum“. Polizei räumt und nimmt bei Räumung 19 der BesetzerInnen zeitweise fest
„Hurra, hurra, die Schule lebt!“ Plötzlich stand es an der roten Backstein-Fassade. AktivistInnen haben am Samstagnachmittag die ehemalige Gehörlosenschule im Schultzweg sechs Stunden lang besetzt. Die Polizei wurde erst am Abend aktiv, vermutlich nachdem die Finanzbehörde Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs gestellt hatte.
Die Beamten umstellten das Gelände, und nach einem verstrichenen Ultimatum räumten sie den Komplex. Dabei wurden gegen Unterstützer auf der Straße Schlagstöcke und Pfefferspray eingesetzt, 19 Besetzer wurden vorübergehend festgenommen.
Die Besetzung dürfte von der Initiative „Solidarische Raumnahme“ gut vorbereitet worden sein; die Ini macht sich für eine Zwischennutzung des Areals als „Kollektives Zentrum“ (Koze) stark, bis dort neu gebaut wird. Innerhalb kurzer Zeit füllten sich am Samstagnachmittag die ehemaligen Klassenräume: Eine „Volxküche“ wurde aufgebaut, Musik dröhnte aus Boxen. Sogar ein eigener Radiosender wurde installiert: Radio Nimmersatt konnte auf der Frequenz 97,0 MHz empfangen werden – zumindest im umliegenden Münzviertel. Nach gut zwei Stunden hatten etwa 250 Menschen das leer stehende Gebäude besichtigt. Die Polizei war bis dahin noch gar nicht gesehen worden.
„Wir haben die Ignoranz der Politik satt“, hieß es in der Erklärung der Aktivisten. „Im Quartier fehlen der Stadtteilinitiative, der Food-Coop Tante Münze, der Fahrradselbsthilfewerkstatt RadKüche und dem Café Exil Räume, Kinder und Jugendliche haben keinen Spiel- und Bolzplatz.“
„Hier stand bis heute ein Gelände mit mehreren Gebäuden, Turnhalle und Spielplatz komplett leer.“ Die zentrale Lage ermögliche die Schaffung eines Zentrums, das jeder Mensch nutzen könne. „Öffentliche Gebäude gehören uns allen!“
Wohnungen geplant
Anhand gegeben hat die Stadt das Gelände im vergangenen Jahr dem privaten Investor Hanseatische Baukontor. Er prüft eine mehrgeschossige Wohnbebauung: Auf dem 18.500-Quadratmeter-Areal sollen nach Senatsangaben 450 Wohneinheiten entstehen, davon die Hälfte öffentlich gefördert. Der Quartiersbeirat Münzviertel fordert, das Schulgelände für eine Zwischennutzung zu öffnen.
Immer wieder sind Stimmen laut geworden, wonach die Stadt „undurchsichtig“ agiere. So werde zwar der Schulhof als Parkplatz genutzt, eine Nutzung der Sporthalle hingegen habe der zuständige Landesbetrieb für Immobilien und Grundvermögen (LIG) nicht genehmigt. Die Turnhalle könne nicht freigegeben werden, erwiderte die Finanzbehörde, weil das Leitungswasser mit gesundheitsschädlichen Legionellen befallen sei. Eine „temporäre Öffnung“ der Schule als Sport- und Freizeiträume ist aus Behördensicht nicht möglich.
MAGDA SCHNEIDER