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Archiv-Artikel

Sie haben sich bemüht

MITTELMASS Heute Abend werden die Deutschen Filmpreise vergeben. Die Auszeichnungen gehen sicherlich nicht an schlechte Werke. Aber eben auch nicht an die herausragenden

Könnte mal jemand den Teufel daran hindern, auf den größten Haufen zu kacken?

VON CRISTINA NORD

Die gute Nachricht: Wenn am Freitagabend im Berliner Friedrichstadtpalast die Deutschen Filmpreise verliehen werden, geht der Ehrenpreis an den Richtigen, nämlich an Werner Herzog, den Regisseur so exzentrischer Filme wie „Auch Zwerge haben klein angefangen“ (1970) oder „Fitzcarraldo“ (1982).

Die schlechte Nachricht: Indem sie Werner Herzog den undotierten Ehrenplatz überlässt, holt sich die Deutsche Filmakademie, die seit 2005 über die Vergabe der mit knapp 3 Millionen Euro dotierten Preise entscheidet, einen Gradmesser ins Haus. Und der zeigt eine vernichtende Diskrepanz zwischen dem, was sein könnte, und dem, was ist. Herzog hat in den vergangenen Jahren viele herausragende Filme gedreht – etwa die Dokumentation „Into the Abyss“ (2011) über einen jungen Mann im Todestrakt eines texanischen Gefängnisses oder den Spielfilm „Bad Lieutenant – Cop ohne Gewissen“ (2009), in dem allerlei Aberwitziges geschieht, unter anderem gibt es Leguane, die aussehen, als würden sie Playback singen. So großartig diese und andere Arbeiten Herzogs sind, so selten ist ihnen ein regulärer Start in deutschen Kinos vergönnt, geschweige denn eine Nominierung beim Deutschen Filmpreis. Das liegt am Reglement. Herzog ist zwar in Bayern geboren und aufgewachsen, aber er lebt in den USA, seine Filme sind US-Produktionen und disqualifizieren sich damit für den Deutschen Filmpreis. So viel zu dem, was sein könnte.

Und nun zu dem, was ist: In der Kategorie bester Spielfilm sind sechs Filme nominiert, „Cloud Atlas“ von Tom Tykwer und Lana und Andy Wachowski, „Hannah Arendt“ von Margarathe von Trotta, „Lore“ von Cate Shortland, „Oh Boy“ von Jan Ole Gerster, „Quellen des Lebens“ von Oskar Roehler und „Die Wand“ von Julian Roman Pölsler. Für die Nominierung erhält der jeweilige Produzent 250.000 Euro, der Hauptpreis, die Goldene Lola, bringt dann noch einmal 500.000 Euro.

„Cloud Atlas“ nimmt sich des gleichnamigen Romans von David Mitchell an; 8,55 Millionen Euro Filmfördergelder sind bereits in die Superproduktion geflossen, die in insgesamt neun Kategorien nominiert ist. Zyniker könnten sagen: Da kommt es auf die paar hunderttausend Euro, die der technisch virtuose, erzählerisch arg bemühte Film heute Abend wohl einstreichen wird, auch nicht mehr an. Allen anderen bleibt ein frommer Wunsch: Könnte mal jemand den Teufel daran hindern, auf den größten Haufen zu kacken?

Die übrigen nominierten Filme sind solides Arthousekino. Von Trotta legt ihre Protagonistin Hannah Arendt als große, zu Unrecht verfolgte Denkerin an und ruft dabei den Eichmann-Prozess und Arendts Reportagen darüber in Erinnerung. „Lore“ unternimmt den dankenswerten Versuch, das Frühjahr 1945 aus der Perspektive einer Jugendlichen zu erzählen, die von der nationalsozialistischen Ideologie imprägniert ist. „Oh Boy“ ist eine Berlin-Reverie in Schwarz-Weiß, die die Melancholie der Hauptfigur lose mit der deutschen Geschichte verknüpft, und „Die Wand“ sowie „Quellen des Lebens“ sind redliche Literaturverfilmungen. Es gibt nicht viel gegen diese Auswahl einzuwenden, es sei denn, man zieht zum Vergleich heran, was jemand wie Werner Herzog dreht. Und dann fällt auf, dass sich im deutschen Kino das Mittelmaß noch immer gegen die Exzentrik durchsetzt.

Am Geld kann es nicht liegen: Die Fördereinrichtungen von Bund und Ländern treiben gewaltigen Aufwand, damit Filme entstehen. 2011, so das Potsdamer Erich-Pommer-Institut, wurden 281,9 Millionen Euro auf die Filmförderung verwendet. Manchmal entstehen dabei tolle Filme und manchmal schaffen sie es sogar in die Vorauswahl. In diesem Jahr waren das die dokumentarischen Arbeiten „Revision“ von Philip Scheffner und „Heino Jaeger – look before you kuck“ von Gerd Kroske. Bevor die Deutsche Filmakademie solchen ästhetisch souveränen, gesellschaftlich hoch spannenden Filmen zu ihrem Recht verhilft, singen Leguane Playback.

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