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Archiv-Artikel

Was sich leakt, das neckt sich

WIKILEAKS Julian Assange beschwert sich über Sexenthüllungen im britischen „Guardian“

„Wir haben durch ein Leck innerhalb von Wikileaks den Zugriff erhalten, und soweit ich weiß, sind wir damit bislang die Ersten und Einzigen“, sagt Ole Erik Almlid. Stimmt es, was der Nachrichtenredakteur der Aftenposten behauptet, hat die norwegische Tageszeitung einen von der Leitung der Enthüllungsplattform nicht autorisierten und unbegrenzten Zugang zu den rund eine Viertelmillion „Cablegate“-Dokumenten bekommen.

Loch im System

In ihrer Vorweihnachtsausgabe publiziert Aftenposten auch gleich bislang auf der Wikileaks-Webseite nicht veröffentlichte Dokumente der US-Botschaft in Oslo zum Hintergrund der Verhandlungen zwischen Norwegen und Russland über die Grenzziehung der Hoheitsgewässer beider Länder in der Barentssee. Und Almlid betont: „Wir haben nicht dafür bezahlt, wir bestimmen damit selbst, wie wir die Dokumente behandeln.“

Ein Scoop für dieses auflagenstärkste Blatt des Landes. Doch leckt Wikileaks tatsächlich so, wie Aftenposten behauptet, würde das auch Fragen nach der Kontrolle über die Dokumente und damit, wie sicher sie sind, aufwerfen. Selbst werde man jedenfalls verantwortungsvoll mit dem Material umgehen, betont die Aftenposten-Chefredaktion. Und werde lediglich eine Auswahl treffen und die Dokumente journalistisch aufbereiten.

Die für Aftenposten geöffnete Hintertür könnte darauf hindeuten, dass es innerhalb von Wikileaks Opponenten gegen die bisherige Veröffentlichungspolitik gibt. Denn wie wurden die bisher privilegierten Medien – wie Le Monde, Guardian, Spiegel – ausgewählt und welche Bedingungen mussten sie akzeptieren? Der US-Fernsehsender CNN und das Wallstreet Journal hatten nach eigenen Angaben zwar Interesse an einer Zusammenarbeit gezeigt. Man sei aber nicht zum Zuge gekommen, weil man nicht bereit gewesen sei, die von Wikileaks geforderten Vertragsklauseln zu unterzeichnen. Die unter anderem eine nicht mit Wikileaks abgestimmte Publikation verbieten und eine Vertragsstrafe von 100.000 Dollar bei Zuwiederhandlung vorsehen sollen.

Die New York Times soll sich laut Informationen der Washington Post – wegen eines kritischen Porträts über den Wikileaks-Gründer Julian Assange – für die „Cablegate“-Dokumente eigentlich disqualifiziert haben. Dass sie trotzdem veröffentlichen konnte, sei dem britischen Guardian zu verdanken, der dieses Embargo wegen der vorangegangenen engen Zusammenarbeit beider Blätter bei den Irak- und Afghanistankriegsdokumenten gebrochen und sein Rohmaterial der New York Times weitergegeben habe.

Jetzt beschwert sich Assange – der demnächst seine Biografie schreiben will – bitter darüber, Opfer von Enthüllungen des Guardian geworden zu sein, der ausführlich aus den vertraulichen Ermittlungsakten der schwedischen Staatsanwaltschaft gegen ihn zitiert hat. Mit Einzelheiten der Sexvorwürfe und nicht gerade schmeichelhaften Details aus seinem Intimleben. Diese Veröffentlichung sei dazu bestimmt gewesen, seine juristische Position zu unterminieren, klagte Assange der Times. Ein Argument, das gar nicht trägt. Denn natürlich lagen die fraglichen Akten dem Gericht in London schon lange vollinhaltlich vor. Eine breite Öffentlichkeit kennt sie nun aber auch. Und es ist wohl das, was Assange ärgert. Ob Medien bei Wikileaks allein deshalb durchs Raster fallen können, weil sie Negatives über Assange leaken, wird sich beim nächsten Wikileaks-Leak zeigen. Und ob der Guardian dann noch zu den Privilegierten gehören wird. REINHARD WOLFF, STOCKHOLM