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Archiv-Artikel

taz-Thema der Woche

Berichterstattung zur Papst-Wahl

Herzlich gelacht

■ betr.: „Junta-Kumpel löst Hitlerjunge ab“, taz vom 15. 3. 13

Ein riesengroßes Lob für diesen Kommentar! Es ist lange her, dass ich einen so erfrischenden, humorigen und treffend kritisierenden Artikel gelesen habe. Und – obwohl ich am Anfang etwas geschluckt habe – der Autor hat es auf wunderbare Weise geschafft, das Wesen der katholischen Kirche sowie das Recht auf die eigenbestimmte Religiosität auf den Punkt zu bringen. Selbst die evangelisch-lutheranische Kirche hat er in einem einzigen Satz beeindruckend treffend charakterisiert! Über den schwulen Papst, der sich nach dem Sonntagsessen mit einem Joint entspannt, haben wir übrigens herzlich gelacht. Nur der zur Frau umoperierte, hochzölibatäre Priester hat da noch gefehlt. CHRISTINE HARTTMANN, München

Drei grobe Fehler

■ betr.: „Junta-Kumpel löst Hitlerjunge ab“, taz vom 15. 3. 13

Ich bin weder Katholikin noch sonstige Christin, drei grobe Fehler gehören dennoch korrigiert: Der Zölibat ist keineswegs untrennbar mit dem Sakrament der Beichte verbunden. In den ersten 500 Jahren der römisch-katholischen Kirche gab es für Priester keinen Zölibatszwang, die Beichte nahmen sie trotzdem ab. Noch im 11. und 12. Jahrhundert verboten Papst und Kaiser Priesterehen – was bedeutet: es gab sie. Nicht zufällig nennt sich die katholische Kirche, die verheiratete PriesterInnen akzeptiert, altkatholisch. Und eben weil die Ehelosigkeit der Priester sich in der katholischen Kirche historisch entwickelt hat, ist sie verhandelbar. Mit anderen Worten: Ein katholischer Beichtvater ist in der altkatholischen Kirche schon jetzt zu haben, in der römisch-katholischen wäre er denkbar. Ebenfalls unrichtig ist die Einschätzung, der protestantische Christ habe seinem Gewissen, der katholische dagegen dem Papst zu gehorchen. Auch katholische ChristInnen haben das Recht, sich auf ihr Gewissen als oberste Instanz zu berufen (Stichwort: Zweites Vatikanisches Konzil), weswegen etwa „die Pille“ Katholikinnen nicht in Glaubenskonflikte bringen muss. USCHI BENDER-WITTMANN, Minden

Das Elend der Institution

■ betr.: „Junta-Kumpel löst Hitlerjunge ab“, taz vom 15. 3. 13

Ein wunderbar formulierter Kommentar, der mir aus dem Herzen spricht – wenigstens gibt es eine deutsche Zeitung, in der so was geschrieben wird.

Deniz Yücel legt das ganze Elend und die ganze Lächerlichkeit dieser unsäglichen Institution bloß, zusammen mit der peinlich unkritischen Haltung weiter Teile der Öffentlichkeit. Dann allerdings greift der Kommentar zu kurz: die Kirche hat eben keineswegs „ein Recht auf … all ihr Heiapopeia“, denn „den Rest regelt der Markt“ – eben nicht! Nicht, solange diese kriminelle Vereinigung der größte Grundbesitzer, der zweitgrößte Arbeitgeber und einer der größten Kapitalisten hierzulande ist, ihre hohlen Rituale tagelang das Programm der öffentlich-rechtlichen Medien bestimmen können und sich zu allem Übel ihr widerwärtiger Machtapparat – zusätzlich zur Kirchensteuer – auch noch ungeniert mit Länder- und Bundesmitteln füttern lässt. NIKO FEISTLE, Hamburg

Ich bin empört

■ betr.: „Junta-Kumpel löst Hitlerjunge ab“, taz vom 15. 3. 13

Ich bin empört. Als interessierte taz-Leserin kann ich diese Schlagzeile und den Kommentar von Deniz Yücel nicht einfach hinnehmen. Sie treten ein für Achtung der Menschenwürde (die sich auf alle Menschen bezieht, egal welcher Religion, welchen Alters und Geschlechts – das brauche ich Ihnen nicht aufzuzählen) und treten Sie hier mit Füßen.

Die Schlagzeile und der Kommentar (ich wiederhole nicht gern abstoßende Zitate) zeigen nicht Witz und Humor, sondern strotzen vor Respektlosigkeit. Sie fordern in vielen Berichten und Kommentaren Toleranz, Empathie und Achtung vor den Gefühlen Andersdenkender und verletzen sie hier in grober Weise. Wie können Sie für entsprechende Werte in Politik und Gesellschaft eintreten, wenn Sie diese Werte bei der Berichterstattung über ein für Katholiken wichtiges Ereignis missachten.

Respektvoller Umgang ist Grundvoraussetzung für ein friedliches Miteinander in einer Gesellschaft. Ich erwarte, dass Sie sich dieser Verantwortung bewusst sind. MONIKA HUPPERTZ, Oberried

Leuchtender Kommentar

■ betr.: „Junta-Kumpel löst Hitlerjunge ab“, taz vom 15. 3. 13

Über all den trägen Berichten über ein internes Ereignis einer verstaubten Organisation erhebt sich geradezu leuchtend der Titelseitenkommentar von Deniz Yücel. Prima.

Zusammen mit einem Bericht hätte das dann auch gereicht und die taz hätte sich wohltuend von den Zumutungen der Hofschranzen abgehoben, deren Gesülze Fernsehzuschauer in der besten Sendezeit der öffentlich-rechtlichen Anstalten über sich ergehen lassen mussten. GEORG FISCHER, Schefflenz

Schließlich egal

■ betr.: „Junta-Kumpel löst Hitlerjunge ab“, taz vom 15. 3. 13

Zuerst habe ich mich an dem „alten Sack“ gestört, weil ich etwas gegen persönlich Beleidigungen in der Printpresse habe. Durch die wiederholte Verwendung schleift sich die Beleidigung beim Lesen aber ab – oder ein, wie die Kolbenringe in den Zylindern beim Motor!

Sie haben viele Fakten deutlich auf den Punkt gebracht. Die weiteren Artikel zum neuen Papst habe ich mir dann aber erspart, es ist schließlich egal, ob in China ein Sack Reis umfällt oder in Rom ein neuer alter Sack aufgestellt wird! Besten Dank für diesen gelungenen Artikel.

NOBERT VOSS, Berlin

Nicht witzig

■ betr.: „Junta-Kumpel löst Hitlerjunge ab“, taz v. 15. 3. 13

Es ist nicht immer leicht, für die taz Verständnis aufzubringen. Sie ist frech, unbequem … okay. Aber bei der Diskriminierung von Menschen hört bei mir der Spaß auf! Auch als Nicht-Katholikin wehre ich mich gegen die Bezeichnung des neuen Papstes als Junta-Kumpel und, wie Denis Yücel schreiben darf: alten Sack. Dieser Kommentar zeigt eine große Respektlosigkeit gegenüber älteren Menschen allgemein und ihren Werten, ist auch in keiner Weise witzig und informativ.

INGEBORG GREWE,

München

Gutgläubiger Un-Sinn

■ betr.: „Das Versprechen“ von Bernhard Pötter, taz vom 16. 3. 13

Beim Lesen dieses Artikels stieg mir langsam die Galle hoch: was für ein dämlich-naives Gewäsch! Erst wird aufgezählt, was vom neuen Papst bezüglich Modernisierung alles nicht zu erwarten ist: Verhütung, Abtreibung, Homo-Ehe, Priesterinnen, Öffnung für Andersgläubige (Ökumene) etc. Und dann der großartige Rückschluss „Wenn man das alles akzeptiert, lässt Papst Franziskus hoffen“. Was für ein Quark!

Warum, bitte schön, sollte man das denn überhaupt alles akzeptieren?! Nur weil der Papst sich scheinheilig-übergriffig nach dem heiligen Franziskus nennt? Und was soll denn am Jesuitenorden gut sein (nach dem Motto: „die Macher“)? Hat der Autor noch nie das auf Jesuiten gemünzte geflügelte Wort „Der Zweck heiligt die Mittel“ gehört? Ich bin erschüttert über diesen gutgläubigen Un-Sinn, der einem katholischen Provinzblättchen vielleicht anstünde. Überhaupt habe ich diesen ganzen Hype über die Papstwahl in „meiner taz“ gründlich satt! Der einzige Lichtblick war der Leitartikel vom 15. 3. über die Thronfolge der ganzen „alten Säcke“! Ich hätte mir allerdings einen „gut aussehenden, schwulen, kiffenden Afrikaner“ gewünscht – aber erwartet? Leider nein!

DAGMAR DORSTEN, Berlin

Das Ärgernis Religion lebt

■ betr.: „Das Versprechen“, taz vom 16. 3. 13

Puh, das hat gutgetan, endlich mal wieder eine Stimme in der taz, wonach man auch als ein sich links Eintütender dem Glauben, der Religion seinen essenziellen Daseinswert einräumt. Ja, ja, für „wahre“ Linke scheint, in des Wortes doppelter Bedeutung (strahlen, aber auch vortäuschen) nur das Licht der „Vernunft“, hahaha, was für ein intellektueller, blutarmer Gehirnstuss. Wenn wir eines wissen, dann, dass der Mensch in allem Überinstinktiven ein ausgesprochen unvernünftiges Wesen ist, die Vernunft gebrauchen wir zwar für den darwinschen Daseinskampf, die Unvernunft ist es aber, die uns zur eigentlichen Menschwerdung inspiriert und antreibt.

Ich hoffe den Linksdogmatikern klargemacht zu haben: Das Ärgernis Religion lebt, und das ist gut so. Ihr kriegt’s rein intellektuell nicht aus der Welt. Euren Pöbeleien und Lächerlichmachungen zum Trotz, danke. Ich nehme sie immer mehr als Herausforderung an, daran innerlich zu wachsen, hoffentlich auch zu gedeihen.

HANS-PETER KLEIN, Ediger-Eller

Toleranz hat zwei Seiten

■ betr.: „Das Versprechen“, taz vom 16. 3. 13

Im Artikel trifft der Autor einige Feststellungen, die nicht unwidersprochen bleiben können. Völlig recht hat er mit seiner Behauptung: „Jeder Mensch muss die Freiheit haben, an seinen Gott, seine Göttin … oder an gar nichts zu glauben.“ Das gilt auch für Ufo-Gläubige oder Okkultisten und bildet die Grundlage einer modernen, toleranten Gesellschaft. Wer möchte in einer anderen leben? Allerdings geht er fehl mit seiner Behauptung: „Aber niemand hat das Recht, andere wegen der Ausübung ihrer Religion lächerlich zu machen.“ Widerspruch: aber sicher doch! Natürlich können wir uns über bizarre Rituale und Zeremonien lustig machen, sie ins Lächerliche ziehen. Wie zum Beispiel über die alten Männer in ihren Kostümen oder die Mär vom Paradies mit den jungfräulichen Huris für die im heiligen Krieg Getöteten. Toleranz hat eben zwei Seiten. Und natürlich ist Religion Privatsache. Es steht ihr nicht zu, den Menschen und der Gesellschaft Vorschriften aufzuerlegen. Aufgeklärte Menschen wollen wissen und nicht an irgendeinen Humbug glauben. WOLFGANG REUTER, Düsseldorf

Punkten mit Effekthascherei

■ betr.: „Junta-Kumpel löst Hitlerjunge ab“, taz vom 15. 3. 13

Herzlichen Glückwunsch, liebe taz. Nun bist du auf dem Niveau unserer großen Tageszeitung angekommen.

Mit Effekthascherei und billiger Plattitüde auf Stammtischniveau bei denen zu punkten, denen jede Gelegenheit willkommen ist, ihre festgefahrenen Vorurteile zu pflegen, ist keine Kunst. Mit gutem, solidem Journalismus hat das jedenfalls nichts zu tun. Keine Frage, es gibt einiges in den Kirchen zu kritisieren, mitunter auch aufzudecken und an den Pranger zu stellen. Das zu tun ist Recht und Pflicht von JournalistInnen.

Wer aber so titelt wie die Redaktion und herabwürdigend schreibt wie Deniz Yücel, muss sich – auch jenseits der Frage, ob denn die Anschuldigungen gegen Franziskus der Wahrheit entsprechen – fragen lassen: Welches Risiko wäre ich bereit einzugehen, wenn ich unter den Bedingungen einer Hitler- oder Juntadiktatur leben würde? Würde ich um meiner Überzeugung oder meiner JournalistenkollegInnen willen womöglich meine Freiheit, Gesundheit oder sogar mein Leben riskieren? JOACHIM DIERKS, Hannover

Liebe Leserinnen, liebe Leser, schon lange nicht mehr hat die Berichterstattung der taz so viele Reaktionen hervorgerufen wie die über Papst Franziskus. Abo-Kündigungen, Mails und Briefe, die Entsetzen, Wut und Unverständnis ausdrückten, aber auch Lob und Respekt dafür, dass wir als einzige deutsche Zeitung den neuen Papst so kritisch begrüßten. Auch in der taz diskutieren wir kontrovers darüber, wo die Grenzen der Kritik sind, wo erlaubte Polemik endet und Hetze beginnt. Die taz steht für einen Journalismus mit Haltung, für unerschrockene Kritik, die sich traut, zuzuspitzen. Wer das tut, eckt an und schießt nach Einschätzung mancher auch mal über das Ziel hinaus. Das muss man in Kauf nehmen, will man sich nicht von vornherein reglementieren aus Angst, einen Fehler zu machen. Würden wir diese Sorge in den Vordergrund stellen, wäre die taz nicht mehr, was sie ist: eine Stimme, die sich abhebt. Theoretisch gehen Sie so weit wahrscheinlich mit. Wo aber sind die Grenzen dessen, was journalistisch lauter ist? Darf man also einen Papst, der die Ehe von Schwulen und Lesben als „Plan des Teufels“ bezeichnet und das Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare als „Kindesmissbrauch“ verurteilt, als „reaktionären alten Sack“ bezeichnen? Verletzt das die Würde des Menschen Bergoglio oder bringt sie die Kritik am neuen Amtsinhaber Franziskus auf den Punkt? Auf jeden Fall sind wir der Meinung, dass eine kritische Auseinandersetzung mit Religion und Kirchen in die taz gehört. Ihre Argumente fließen ein in unsere interne Auseinandersetzung. Deshalb an dieser Stelle ein sehr ehrliches Dankeschön für Ihre engagierten Einlassungen. Und natürlich würde ich mich freuen, wenn Sie die kritische Begleitung des Papstes auch weiter in der taz verfolgen. Ines Pohl, Chefredakteurin