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Archiv-Artikel

„Es ist und bleibt Mord“

AKTIVIST Der Jagdgegner Detlef Arndt aus Hannover fordert ein sofortiges Fütterungsverbot für Wildtiere. Ohne Fütterung würden die Bestände von selbst zurückgehen – das wäre gut für den Wald, und die Jagd würde überflüssig

Von REA
Detlef Arndt

■ 58, ist Tierrechtler und betreibt den Blog www.anti-jagd.blog.de. Sein Foto möchte er in der taz nur unscharf sehen, damit ihn Jäger im Wald nicht erkennen.

taz: Herr Arndt, warum sind Sie gegen das Jagen?

Detlef Arndt: Ich lebe seit über dreißig Jahren vegan. Als Tierrechtler frage ich mich, was das Leben von irgendeinem Menschen so viel wertvoller macht als das Leben eines Rehs.

Wenn Sie grundsätzlich auf die Jagd verzichten wollen, wie sieht dann Ihre Alternative aus?

Wenn Tiere nicht mehr extra für die Jagd gezüchtet würden, wäre das schon ein guter Anfang.

Was heißt denn Züchten?

Die Jagd gleicht eher einer Freiluft-Massentierhaltung. Wir haben heute in Deutschland zigmal so viele Rehe wie unter natürlichen Umständen.

Dann erscheint es doch umso wichtiger, dass die Anzahl der Tiere reguliert wird.

Nein, die Jagd ändert nichts, sie ist das Problem. Jäger haben kein Interesse daran, dass es weniger Rehe oder Wildschweine gibt. Manche Tiere mästen sie regelrecht und bringen damit auch Schwächere über den Winter. Ist ja klar, wenn da irgendein Stadtjäger in Feld und Flur den Naturburschen spielen möchte, hat der wenig Zeit. Der will schnell ein Reh schießen und nicht lange im Hochsitz hocken und warten.

Aber beispielsweise in den niedersächsischen Landesforsten wird nur in Notzeiten gefüttert.

Ja, das sagen die Jäger. Aber warum sind sie dann so empört über ein mögliches Fütterungsverbot? Durch das nährstoffreiche Futter bewirken sie, dass die Tiere früher wieder fruchtbar werden und Junge bekommen.

Haben Sie solche Futterstellen gesehen?

Hannover ist am Stadtrand regelrecht umzingelt – von Hochsitzen und Futterstellen. Mitunter liegen da mannshohe Berge Rüben. Das muss vom Gesetzgeber verboten werden.

Vielleicht fehlen den Tieren die natürlichen Fressfeinde.

Die Beutegreifer haben keinen großen Einfluss auf die Population. Die wird vorrangig über die Nahrung bestimmt. Das ist das bekannte Nadelöhr. Im Winter überleben nur die Stärksten.

Milde Winter machen die natürliche Auslese schwierig.

Jäger haben es über Jahrzehnte nicht geschafft, die Bestände der bejagten Wildtiere zu verringern. Wenn die Winter alle so mild sind, müsste es doch selbstverständlich sein, dass kein Jäger füttert. Sie tun es aber trotzdem. Wenn das Nahrungsangebot allerdings wirklich gering ist, schalten die Tiere auch die Vermehrung herunter, was dann zu stabilisierten Tiergemeinschaften führt.

Jäger sehen die Jagd auch als Artenschutz. Sie wollen den Mischwald erhalten.

Eigentlich verspeist ein Reh Gras. Erst durch den Jagddruck sind die Rehe in den Wald getrieben worden. Da fangen sie natürlich an, Laubbäume anzuknabbern. Das ist für den Wald nicht gut und für die Rehe auch nicht. Etwa der Mischwald im Harz ist total abgefressen, weil die Jäger dort Hirsche hegen und schießen möchten. Für den Wald ist das katastrophal.

Könnte Jagd ohne Hege eine Alternative sein, damit Laubbäume in den Wäldern nachwachsen können?

Das sagt der Ökologische Jagdverband. Die wollen die Bestände runterschießen und das Füttern einstellen, um die Wälder zu schützen. Von der Ökologie her mag das sinnvoll sein, vom ethischen Standpunkt aus nicht. Es ist und bleibt Mord.

Besser als in der konventionellen Haltung geht es den Tieren doch allemal – ohne Zäune und stressigen Transport zum Schlachthof.

Das Bessere ist der Feind des Guten. Etwas Schlechteres gibt es immer. Bei der Jagd werden viele Tiere nur angeschossen und sterben qualvoll. Außerdem landen nicht alle Tiere, die gejagt werden, auch auf dem Teller. Füchse, erschossene Hunde, Katzen oder Dachse werden nicht gegessen und kommen in die Tonne.

Landwirte werden von Ihrer Idee, auf die Jagd zu verzichten, nicht begeistert sein. Dann wären die Fraßschäden auf den Feldern noch größer.

Die haben ein Interesse daran, wirkliche Probleme größer zu reden, weil sie Entschädigungen für Wildschäden bekommen. Aber natürlich sind die Wildschweine mehr geworden. Daran hat auch die Massentierhaltung Schuld. Der ganze Mais auf den Felder ist ja als Tierfutter gedacht. Klar, dass sich die Wildschweine daran bedienen. Wenn die Menschen vegan leben würden, bräuchte es die vielen Maisfelder nicht. Dann gebe es automatisch weniger Wildschweine.

Dass sich der Wildtierbestand durch mehr Veganer reguliert, ist doch unrealistisch.

Man muss die Ursachen sehen. Die Verantwortung liegt auch bei der Massentierhaltung. Das Problem ist menschgemacht, dafür gehören nicht die Tiere in unserer Restnatur erschossen.

Waren Sie selbst schon einmal bei einer Jagd dabei?

Also, offiziell eingeladen wurde ich noch nicht. Aber ich war schon da, als ein Tier erschossen wurde. Ziemlich gruselig, wenn es im Wald an einem Hochsitz plötzlich knallt.

Haben Sie auch mal an Anti-Jagd-Aktionen beteiligt?

Sicher, an etlichen Demos. Ich rufe allerdings nicht zu illegalen Jagdsabos auf. Man darf sich aber freuen, wenn mal ein Hochsitz umgelegt wird. Das ist nicht verboten.  INTERVIEW: REA