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Archiv-Artikel

Gegensätze ziehen sich aus

KOMÖDIE In „Der Vollgasmann“ (20.15 Uhr, ARD) verlieben sich eine Umweltaktivistin und ein Rennfahrer ineinander. So ein Film kann nur in Baden-Württemberg spielen

VON MARLENE STAIB

„Wie wär’s mit ’nem CO2-armen Abend?“ Mit diesem Anmachspruch kann ihr Kollege Simon (Andreas Hoppe) zwar nicht bei der Umweltaktivistin Claire Leonhard (Anica Dobra) landen. Stattdessen funkt es, als „Der Vollgasmann“ Henry Denninger (Uwe Ochsenknecht) der Ökospaßbremse Claire begegnet – eine Hassliebe, wie sie im (Dreh-)Buche steht. Die SWR-Produktion fürs Erste funktioniert dank ironischer Sprüche wie diesem, einer aufwendigen Produktion sowie einem kulturellen Paradox.

Dafür hat Drehbuchautor Thomas Kirdorf mit dem Motiv der ungewollten Liebschaft eine charmante Erzählform gefunden. Wo die Müslistudenten im Sommer bei Daimler in Sindelfingen jobben und die Kleinsparer gegen den Energiefresser Stuttgart 21 wüten, genau da trifft Rennfahrer Henry mit seinen Rallyevorbereitungen auf die schlagfertige Claire, die an der Spitze der Protestbewegung dagegen steht. Und so sehen sich die beiden bald zum „Schlagabtausch“ in der gleichnamigen Talkshow wieder – der neuen Richtanstalt für gesellschaftliche Auseinandersetzungen.

Feindbild de luxe

Gegenseitig tun sich die beiden dabei den Gefallen, das Feindbild des anderen mit äußerster Akribie zu verkörpern. Der unbegründete Frauenhass des geistig etwas verlangsamten Geschwindigkeitsfanatikers wird genauso platt dargeboten wie der übersprudelnde Aktivismus der Umwelttussi. Die Besetzung spielt dieser Vereinfachung in die Hände: Ochsenknecht verleiht seiner Figur genau die gemütlich-liebenswerte Eindimensionalität, die man einem Machomann vom Typ Henry Denninger abnimmt. Anica Dobra überzeichnet das Bild der überkomplexen Feministinnen-Nevensäge Claire, die keinen Spaß verträgt. Beide Figuren nehmen sich zu ernst, um ernst genommen zu werden.

Mit nicht zu aufdringlichen Stereotypen schafft es Comedypreisträger Rainer Matsutani, eine simple Liebesgeschichte als Komödie mit satirischen Zügen zu inszenieren.

Sexismus unter Frauen

Zwischen den Fronten im klassischen Geschlechterduell steht die Figur der jungen PR-Beraterin Keira Jansen (Noémi Matsutani) als Vertreterin einer neuen Frauengeneration. Perfekte Angepasstheit und eiskalte Berechnung sind die Waffen, mit denen sie sich in der Männerwelt behauptet. Feminismus hat sie nicht mehr nötig, sie macht einen guten Job – zu dem es gelegentlich gehört, anderen Frauen gegenüber mindestens genauso sexistisch aufzutreten wie ihr Boss Henry.

Schön nicht gelöst bleibt der Konflikt, da zum Ende hin nicht irgendwie versucht wird, einen moralischen Kompromiss zu basteln. Zwar werden Claire und Henry im Zuge ihrer Affäre beide ihre Jobs los und arbeiten fortan in einem Café. In Ökospießerkreisen kann das als Mittelweg interpretiert werden (fette Karre minus CO2-Ausstoß ist gleich Latte macchiato). Dennoch erziehen sie sich nicht gegenseitig zu besseren Menschen, düsen nicht zu guter Letzt mit Hybridmotor gen Sonnenuntergang. Stattdessen leben sie ohne große Erklärung eine friedliche Koexistenz – so, wie sie im schwarz-grün orientierten Baden-Württemberg wohl am besten möglich ist.