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Archiv-Artikel

Nur zum Guten

IMAGEPFLEGE Der Wikipedia-Eintrag zu Christian Lindner, Fraktionschef der NRW-FDP, wurde im vergangenen Jahr 350-mal geändert, teilweise von einem Landtagsbüro aus

AUS KÖLN PASCAL BEUCKER

An viele Hoffnungsträger kann sich die FDP nicht mehr klammern. Als einer der letzten gilt Christian Lindner, 34-jähriges Polittalent und Fraktionsvorsitzender im Landtag Nordrhein-Westfalens. Aber auch Lichtgestalten haben dunkle Flecken, die sie gern verbergen. Genau das wirft jetzt die WirtschaftsWoche (WiWo) Lindner vor. Dessen Wikipedia-Eintrag sei 2012 „auffallend oft zum Positiven verändert worden“. Der Verdacht: Lindner lässt seinen Lebenslauf „aufhübschen“. Die FDP weist den Vorwurf empört zurück.

In der Tat wurde kaum ein Wikipedia-Eintrag eines deutschen Politikers im vergangenen Jahr so häufig geändert wie der Lindners: rund 350-mal. „Das Pikante: Ein bedeutender Teil scheint aus Lindners Umfeld zu stammen“, schreibt die WiWo.

Unbestritten ist, dass Lindner und seine Partei ein Auge auf seine Darstellung in der Online-Enzyklopädie haben. Bei dem Wikipedia-Eintrag gebe es „immer wieder sachlich falsche Tatsachenbehauptungen, etwa zu seinen politischen Positionen, seiner früheren Berufstätigkeit oder sogar seiner Konfessionszugehörigkeit“, begründet das der Sprecher der NRW-FDP, Moritz Kracht. „In diesen Fällen senden wir Korrekturvorschläge an Wikipedia.“ Etwas Anstößiges kann Kracht darin nicht erkennen. Schließlich müsse ja jede Änderung vom Autorenkollektiv bestätigt werden. „Bei strittigen Fragen haben wir uns auf der Diskussionsseite klar zu erkennen gegeben.“

Ob Krachts Aussage in jedem Fall stimmt, ist schwer überprüfbar. Einiges spricht dafür, dass es auch Änderungsversuche ohne offenes Visier gab. So erscheint die Vorstellung recht lebensfremd, jener anonyme Schreiber, der im Sommer 2012 unter der IP-Adresse 93.184.129.133 mehrere Dutzend Änderungen vornahm, könnte nicht aus dem Dunstkreis der FDP-Landtagsfraktion stammen. Der Anonymus strich unter anderem eine kritische Aussage mit der Begründung: „Einen Satz aus irgendeiner Rede herauszupicken und dann als neoliberal zu bezeichnen ist nicht objektiv.“ Die IP-Adresse lässt sich dem Landtag zuordnen.

Laut WiWo sollen sich FDP-Kreise im vergangenen Jahr auch darum bemüht haben, ein Porträt, das 2010 im Handelsblatt-Karriereportal erschienen war, nachträglich korrigieren zu lassen. Verfasst hatte es Konrad Fischer, der auch Autor des aktuellen WiWo-Artikels ist.

Er habe Fischer freundlich um die Berichtigung einer unrichtigen Tatsachenbehauptung in seinem früheren Beitrag gebeten, bestätigt Moritz Kracht. „Herr Fischer selbst hat uns daraufhin übrigens eine Form der Bearbeitung von Wikipedia vorgeschlagen, der wir nicht folgen wollten“, so der FDP-Sprecher. „Das hätte nicht unserer transparenten Vorgehensweise entsprochen.“

Aus dem E-Mail-Verkehr zwischen Kracht und Fischer, der der taz vorliegt, geht hervor, dass der Journalist tatsächlich einen sonderbaren Vorschlag unterbreitete: Auf der Homepage Lindners könnte ja ein Satz eingefügt werden, der der gewünschten Änderung entspricht. „Sie können dann bei Wikipedia den Artikel so bearbeiten, dass Sie den entsprechenden Satz rausnehmen, als Begründung haben Sie dann eine widersprechende Quelle“, schreibt Fischer. „Das wird von Wikipedia dann auch akzeptiert, da die Stelle dann als nicht mehr eindeutig belegt gilt.“ Das erscheine ihm als „die für alle Seiten einfachste Lösung, oder?“