CHRISTIAN FÜLLER : Sie sind auch Feminist?Sieben Thesen zum emanzipierten Mann
So, so, jetzt sollen wir Männer also Feministen werden. So wichtig das Theorem des Feminismus ist, so viele Anstöße es auch für unser Leben gibt – ein Feminist sollte ein Mann nicht sein wollen. Ein Feminist ist nicht nur semantisch eine contradictio in substantivo, er ist eine gänzlich unerstrebenswerte Figur: Wir Männer müssen unsere Rolle in einem neuen Geschlechterverhältnis schon selbst definieren. Das Ziel ist, ganz einfach, der emanzipierte Mann.
1 Wir sind nicht nur unser Schwanz.
Unser Geschlecht und unser Sex sind mindestens so fremdbestimmt wie das der Frau. Alle möglichen Leute deuteln an unserem Sex herum, wahlweise ist er „krank“ oder zu kurz, zu hart oder auch zu zart. Die erste Regel des heutigen Mannes muss daher heißen: Mein Schwanz gehört mir! Ich nehme ihn an in seiner erfreulich simplen und doch auch erstaunlich komplexen Dynamik. Wir sind nicht notgeil, wir können Nein sagen. Wir verwechseln Sex und Liebe nicht mehr. Wir können unseren Schwanz ganz prima handhaben und wissen, dass er von Idioten auch als Waffe benutzt wird. Wir verstehen mehr von uns und ihm als unsere Väter, genau wie wir die Bedürfnisse von Frauen (und übrigens auch Männern) besser kennen. Dennoch wollen wir nicht nur vögeln. Wir beginnen tatsächlich, über Liebe und Sex zu sprechen. Und da erzählen wir uns Geschichten, die nur noch wenig mit dem Härter, Länger, Weiter von früher zu tun haben.
2 Wir wollen gleichberechtigte Beziehungen führen.
Wir verstehen uns als Männer, die nichts mit dem Habitus des traditionellen Mannes anfangen können. Ein Rollenmodell der Marke „Er verdient, sie erzieht“ ist uns viel zu eng. Wir werden uns da nicht wieder hineinziehen lassen – auch nicht von rosigen jungen Frauen, die nach einem Versorger fahnden. Wir registrieren mit Genugtuung, dass es immer öfter die Männer sind, die ganz selbstverständlich die Beziehungsarbeit gestalten.
3 Wir wollen endlich über Benachteiligungen von Jungen reden.
Die krasse Benachteiligung von Jungen in der Schule ist vielleicht das Exempel für das Unverständnis, das Männern entgegenschlägt. Jungs fallen massenhaft als Verlierer aus dem System. Die einzige Erklärung aber, die eine Pädagogik mit teils vulgär-feministischer Schlagseite dafür findet, ist, dass daran eine Art genetischer Defekt schuld sei, der zu großer Lautstärke und übermäßigem Bewegungsdrang führe. Wir brauchen eine Kraftanstrengung zur Rettung der Jungs – und eine emanzipatorische Erziehung, für die es noch kaum vernünftige Vorbilder gibt. Dies ist übrigens kein gesellschaftlicher Rollback, wie manche Feministin behauptet.
4 Wir möchten ein neues Verhältnis zur Erwerbsarbeit definieren.
Diejenigen, die den emanzipierten Frauen im Wege stehen, behindern ja auch uns: Die Chefs und Betriebskulturen, die eine Babypause bei Frauen nicht wertschätzen und eine Elternzeit von Männern schlicht ablehnen. Nein, wir laufen vor Arbeit und Karriere nicht davon, nur lassen wir uns nicht mehr von ihnen übermannen. Wir wissen, dass wir unsere Arbeit pluraler definieren müssen denn als Statusplackerei vom Schlage „Mein Auto, mein Boot, meine Visitenkarte“. Und wir haben erste Erfahrungen sammeln dürfen, dass es eben nicht nur Cocktailparty ist, ein selbstbewusstes Leben als Hausmann zu führen.
5 Wir wollen unseren Kindern beim Aufwachsen helfen.
Zu einer neuen Arbeitsteilung gehört, dass Frauen Kinder nicht mehr als ihr Eigentum betrachten und sie den Männern entziehen. Es sind auch unsere Kinder. Wir lieben unsere Töchter und Söhne, und darum werden wir sie selbstverständlich begleiten, wenn sie älter werden. Wir wollen sie gut auf ein Leben vorbereiten, das schneller, spannender und unsicherer als das unsere sein wird. Allerdings müssen heutige Väter ihre Erfahrungen neu und selbst machen. Denn das Geburtswissen unserer Väter beschränkte sich in der Regel auf die Bedienung des Kaffeeautomaten vor dem Kreißsaal.
6 Pinguinmänner vor!
Das alles zeigt uns: Ein neues Verständnis vom Mannsein muss her, aber für lau ist es nicht zu haben. Wenn die Rollen nicht mehr fixiert sind, dann wird es eben komplizierter. Ein Zurück in die klassischen Muster wäre die Verneinung der Gegenwart. Zu glauben, die moderne Frau wisse schon, wie das neue Modell auszusehen habe, ist naiv. Erstens weiß sie es nicht. Zweitens müssen wir Männer die eigene Rolle mit entdecken und ausgestalten – weil es sie erst in Ansätzen gibt. Vielleicht sollten wir von den Pinguinen lernen. Deren Männer kümmern sich rührend um den Nachwuchs. Sie brüten ihn wochenlang aus, während die Mutter zum Jagen muss. Dann kommt die Mutter, und die Rollen wechseln. Hin und wieder klappt die Übergabe der Küken nicht – weil die Pinguinmänner ihre Kleinen so lieb gewonnen haben, dass sie sie nicht mehr hergeben wollen.
7 Pinguinmänner brauchen Pinguinfrauen.
Das sind Frauen, die selbst jagen können und doch wieder zurückkommen. Die Grenzlinie verläuft, genau besehen, nicht zwischen Mann und Frau, also den Geschlechtern, sondern zwischen Menschen von heute und Menschen von gestern.
■ taz-Redakteur Christian Füller, 46, zwei Söhne, nahm zwei Jahre und drei Monate Elternzeit