: Dezentral marschieren
RECHTE Die geänderte Strategie der Neonazis
BERLIN taz | Seit Wochen laufen die Vorbereitungen der NPD für mindestens sechs Aufmärsche und Kundgebungen. Den internationalen „Tag der Arbeit“ wollen NPD und Freie Kameradschaften nationalisieren.
In der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt will die NPD unter dem Motto „Arbeit statt Abwanderung“ aufmarschieren. Als Redner wird der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt erwartet. Die ersten öffentlichen Blockadetrainings von Gegendemonstranten im Stadtzentrum hatten schon rechtliche Folgen. „Eine Anzeige liegt gegen drei Personen und mich vor, weil wir zu den Trainings aufgerufen hatten“, sagt Astrid Rothe-Beinlich, Vizepräsidentin des Thüringer Landtages und Parlamentarische Geschäftsführerin der Thüringer Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.
Bislang sieht es danach aus, als setze die Szene auf dezentrale Aktionen. Einen zentralen Event gib es nicht. Im sächsischen Zwickau wird Holger Apfel sprechen, NPD-Fraktionsvorsitzender in Dresden; in Rostock dürfte Udo Pastörs reden, NPD-Fraktionschef in Schwerin.
„Dresden wirkt nach“, betont Rebekka Höfer-Diekmann vom Thüringer Bündnis gegen Rechts. Das Umdenken resultiere aus den Blockaden am 13. Februar, die in Dresden den größten rechtsextremen Marsch in Europa stoppten. Über 6.400 Neonazis mussten bei dem zentralen Gedenkmarsch anlässlich der Bombardierung der Stadt 1945 Stunden auf einem Bahnhofsvorplatz ausharren. „Diese Schlappe hat NPD und Kameradschaftsszene wirklich getroffen“, sagt auch Christine Lehnert. Sie arbeitet für das Bündnis „1. Mai Rostock nazifrei!“ und sagt: „Das Konzept der friedlichen Massenblockaden findet enormen Zuspruch.“
Seit 1992 versuchen neonazistische Parteien und Gruppen Aktionen am 1. Mai zu organisieren. Der 1. Mai sei von Adolf Hitler 1933 zum gesetzlichen Feiertag erklärt worden. Das einen Tag später die Gewerkschaften zerschlagen, Gewerkschaftsmitglieder verhaftet und getötet wurden, bleibt unerwähnt.
Mit den dezentralen Aktionen wolle die NPD vor allem absichern, dass ihnen am 1. Mai trotz möglicher Blockaden mindestens eine Aktion gelinge. „Die Partei ist sowohl eine Wahl- als auch Bewegungspartei, sie muss auch Erfolge auf der Straße für die Szene vorzeigen können“, sagt Martin Langebach, Rechtsextremismusexperte an der Universität Düsseldorf.
Im vergangenen Jahr fiel die Mitgliederzahl der NPD erstmals seit Voigts Führung von 7.200 auf 6.800 Anhänger. Langebach meint zudem, die Partei habe gemerkt, dass „die Klientel vor Ort abzuholen erfolgreich sein dürfte“. ANDREAS SPEIT