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DIE GESELLSCHAFTSKRITIKDie Bahn und das Böse

WAS SAGT UNS DAS? Kritik an der Bahn mag schön und gut und wichtig sein. Sie ist auch wohlfeil

Müheloser und schneller Transport als nicht hinterfragte Selbstverständlichkeit

Die Deutsche Bahn AG (DB) ist, pünktlich zum Sommerloch, mal wieder harter Kritik ausgesetzt: Am Wochenende war in drei ICEs die Klimaanlage komplett ausgefallen. Zwei Züge mussten in Hannover und in Bielefeld geräumt werden. Einige Schüler kamen wegen akuten Feuchtigkeitsmangel ins Krankenhaus. Auch in weiteren Zügen fielen in einzelnen Waggons die Klimaanlagen aus. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld begann Ermittlungen wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung und der unterlassenen Hilfeleistung.

Kritikerinnen und Kritiker der Bahn behaupten, der Ausfall der Klimaanlagen habe ihre Ursache darin, dass die Bahn zu wenig in ihre Technik investiere oder Kosten bei der Wartung spare. Ein Bahnsprecher sagte, angesichts von 1.400 Fernverbindungen an diesem Tag seien die drei ausgefallenen ICE „bedauerliche Ausnahmefälle“ und kein flächendeckendes Problem. Die Remscheider Sophie-Scholl-Gesamtschule will die Bahn für den Kreislaufkollaps mehrerer Schüler dennoch in Regress nehmen.

Die Reaktionen auf die Hitze-ICE verdeutlichen, wie sehr der scheinbare mühelose und schnelle Transport über lange Strecken für viele Menschen zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist, die sie nicht mehr hinterfragen. Dass die Bahn es schafft, jährlich etwa 120 Millionen Passagiere sicher über zig Millionen Kilometer zu befördern, wird nicht mehr als die große Leistung gesehen, die es ist. Bahnreisen sind nach wie vor innerhalb Deutschlands die zuverlässigste, schnellste und sicherste Form des Reisens. Stundenlange Staus auf der Autobahn und nervig lange Verzögerungen bei den Starts von innerdeutschen Flügen werden als notwendige Übel angesehen. Kleinste Pannen oder Verspätungen bei der Bahn dagegen gern als Katastrophen hochgejazzt.

Die Bahn ist zu einem billigen Mitschwätzthema verkommen, bei dem alle mal erzählen können, was sie so alles Schlimmes mit den schnellen und langsamen Zügen oder mit einem der rund 240.000 Mitarbeiter der Bahn in den vergangenen 40 Jahren erlebt haben. Dahinter verblasst die Tatsache, dass die DB im weltweiten Vergleich zu den großen Errungenschaften und Leistungen dieser Gesellschaft gehört. PHILIPP GESSLER

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