: „Mit der Geduld am Ende“
ANGRIFFE Ein Delmenhorster Bürgerkomitee will nach Naziangriffen künftig selbst ermitteln. Die Polizei verharmlose die Situation, wenn sie von Gruppen spreche, die sich „wechselseitig angehen“
Bündnissprecher Peter Vogel
Das neue Delmenhorster Bündnis „Nazis raus aus unserer Stadt“ hat am Wochenende angekündigt, nach rechtsextremen Angriffen künftig auf eigene Faust zu ermitteln. „Wir sind mit unserer Geduld am Ende“, sagt Bündnissprecher Peter Vogel. „Seit Monaten kommt es zu Angriffen durch Neonazis, die bewusst verharmlost werden.“
Die Kritik richtet sich vor allem gegen die Polizei. Die erkläre die Übergriffe „beharrlich“ zu Prügeleien „zwischen Linken und Rechten“, sagt Vogel, der Vorsitzender der „Medienagentur für Menschenrechte e.V.“ ist. Bereits vor Monaten hatte Monika Meyer von der Initiative „Eltern gegen Rechts“ die Situation in Delmenhorst gegenüber der taz so beschrieben: „Hier laufen die Neonazis mit Schlagstöcken herum. Ein Brandanschlag wurde verübt. Die Polizei redet dennoch von Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Jugendlichen.“
Die Ermittlungen soll darum jetzt ein „ständiges Bürgerkomitee“ übernehmen – sehr zum Ärger der Polizei in Delmenhorst. Ein solches Komitee würde „die Ermittlungsergebnisse gefährden“, hieß es. Ratsherr Jörg Dombrowe (Die Linke), ebenfalls beim Bündnis aktiv, widerspricht: Bürgerkomitees zur Aufklärung von Übergriffen der rechten Szene seien andernorts „Bestandteil der zivilgesellschaftlichen Kultur“.
Bündnissprecher Vogel räumt ein, er könne „verstehen, dass die Polizei jetzt nicht besonders erbaut ist“. Er verweist aber auf die jüngsten Vorfälle. So überfiel etwa am Abend des 3. Juni eine Gruppe von Neonazis sechs Jugendliche, die sich gegen Rechts engagieren. Mit Holzlatten und Schlagstöcken schlugen sie auf sie ein. Sie hätten zurückgeschlagen, sagt ein Jugendlicher, aber das sei „Notwehr“ gewesen. Zwei seiner Freunde mussten in einem Krankenhaus ambulant behandelt werden.
Die Polizei erklärte später, beide Gruppen hätten sich „wechselseitig angegangen“. „Genau bei solchen Vorfällen wollen wir nachfragen, nachfassen“, sagt Bündnissprecher Vogel.
Die Opfer des Angriffs haben inzwischen Strafanzeigen gestellt. Das Bündnis in Delmenhorst, bei dem auch die SPD, Gewerkschaften und Kirchen vertreten sind, will sie mit einer Unterschriftenliste unterstützen. Unterdessen versucht die Landtagsfraktion der Linkspartei, den Vorfall mit einer Kleinen Anfrage zu klären. ANDREAS SPEIT