: „Aber bitte zu niedrigen Löhnen“
FACHKRÄFTE Mit der Blue Card will die Regierung Hochqualifizierte anlocken. Karl Brenke vom DIW warnt vor einer Billiglohnstrategie, die Deutschland mehr schadet als nutzt
■ Zweck: Mit der Blue Card können Akademiker und Facharbeiter aus Nicht-EU-Ländern europaweit auf Arbeitsuche gehen.
■ Bedingungen: Fachkräfte erhalten in Deutschland eine dreijährige Aufenthaltsgenehmigung, wenn sie einen Job in Aussicht haben. Danach können sie die unbefristete Niederlassungserlaubnis bekommen und die Familie holen. Für die Blue Card gilt eine Mindestverdienstgrenze von 45.000 Euro (bisher 66.000 Euro). In Mangelberufen genügen 35.000 Euro.
■ Einführung: Der Bundestag hat das Gesetz in der vergangen Woche beschlossen. Damit es in Kraft tritt, muss der Bundesrat am 11. Mai zustimmen. (ale)
INTERVIEW DANIEL BAX
taz: Herr Brenke, endlich setzt auch die Bundesregierung die europäische Blue Card um. Sie aber bemängeln das Gesetz. Warum?
Karl Brenke: Die Blue-Card-Regelung ist generell vernünftig. Kritisch sehe ich den Aspekt der Entlohnung. Es war offenbar eine politische Entscheidung, die Mindestverdienstgrenze möglichst niedrig anzusetzen. Daraus spricht keine Willkommenskultur. Die Botschaft ist vielmehr: ihr könnt kommen, aber bitte zu niedrigen Löhnen.
Was hat das für Folgen?
Da bin ich mir unsicher. Eine solche Zuwanderung könnte zusätzlichen Druck auf den Arbeitsmarkt ausüben, die Löhne zu senken. Eine solche Billiglohnstrategie schwächt den Standort Deutschland und verstärkt die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in der Eurozone. Allerdings wissen gut ausgebildete Fachkräfte aus dem Ausland meist um ihren Preis. Die Gefahr ist also eher, dass sie um Deutschland einen großen Bogen machen.
Die Bundesregierung fürchtet, dass ohne Blue Card Deutschland die Fachkräfte ausgehen. Wie real ist diese Gefahr tatsächlich?
Die Bundesregierung sieht bei Ingenieuren, IT-Kräften sowie Medizinern einen besonderen Bedarf. Unsere Analysen besagen aber, dass es bis weit in das nächste Jahrzehnt hinein gar keinen Fachkräftemangel geben wird. Da droht sogar eher eine Fachkräfteschwemme. Dafür spricht etwa die rasant steigende Zahl von Studienabgängern – sie hat sich im Vergleich zu der Generation, die jetzt in den Ruhestand geht, verdoppelt.
Wenn es gar keinen Fachkräftemangel gibt – warum klagt die Wirtschaft dann darüber?
Sie klagt über einen Mangel an Fachkräften, die bereit sind, zu niedrigen Löhnen zu arbeiten. Über die Blue-Card-Regelung versucht man nun, sie über niedrige Verdienstgrenzen ins Land zu bekommen. Es ist allerdings fraglich, ob das so klappt. Schon jetzt gelingt es kaum, gut ausgebildete Fachkräfte aus den EU-Staaten nach Deutschland zu holen. Für viele Fachkräfte ist es schlicht nicht so attraktiv, nach Deutschland auszuwandern, denn die Hürden sind hoch: die fremde Sprache, der Umzug, fehlende Angebote für Familien.
Was sollte also geschehen, um Fachkräfte anzulocken?
Mein Plädoyer wäre, sich an die EU-Regelung zu halten und die Löhne höher anzusetzen. Die skandinavischen Länder oder die Schweiz betreiben im Gesundheitsbereich und der Medizin eine aktive Abwerbepolitik und zahlen gut. Deshalb zieht es viele Fachkräfte in diese Länder – auch aus Deutschland. In Deutschland dagegen sind die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung wenig attraktiv.