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Archiv-Artikel

Fleischsternchen für hungrige Wölfe

PARODIE Der Internetshop Antipreneur führt den Kunden die Absurdität ihrer Konsumwünsche vor Augen

Der Bubi schiebt Plastikpanzer durchs Wohnzimmer, der große Bruder ballert im Computerspiel World of Warcraft seine Gegner ab. Warum nicht gleich die Todesquotienten von 32 Kriegen der Menschheitsgeschichte am Esstisch vergleichen? Wer beim Kartenspiel „Kriege“ die meisten Gefallenen hat, gewinnt. Napalm ist der Trumpf.

Mit Kunst- und Scherzartikeln wie dem „Kriege-Quartett“ wollen Jacob Chromy, 34, und seine MitarbeiterInnen irritieren. Auf der Internetseite www.antipreneur.de bieten sie Spiele, Kekse und Wanddekorationen an, die den Kunden ihre geheimen Konsumwünsche vor Augen führen. Wie etwa das Männermagazin Einseitig verliebt, das mit einer einzigen Fotoseite auskommt – denn „wer braucht schon Inhalt, wenn es Titten gibt?“, so die Produktbeschreibung.

Jacob Chromy, freier Texter aus Darmstadt, hat den Internetshop vor vier Jahren gegründet. Rund 20 Designer, Grafiker und Produktmanager entwerfen derzeit unentgeltlich Dinge wie Nordic Stalking Stöcke, mit denen man beim Spazierengehen den Vordermann belauschen kann. Für die, die beim Grillen auch das dritte Steak verdrücken, haben die Antipreneure Fleischsternchen entwickelt: in Sternform ausgestanzte Hartwurststückchen, das der Gastgeber seinen gierigen Gästen zur Belohnung auf den Teller legen soll – in Anlehnung an die Fleißsternchen, die Lehrer an besonders fleißige Schüler verteilen. Damit wollen sie übermäßigen Fleischkonsums kritisieren. „Wir wollen den Menschen zeigen, wie absurd ihr Konsumverhalten ist“, sagt Chromy. „Das ist eine Gratwanderung, aber unsere Kritik funktioniert nur, wenn wir es schaffen, unsere Kunden mit völlig abstrusen Produktideen zu verführen.“

Chromy ist Head of Process des Ladens, Unternehmer, könnte man sagen. Doch der Internetshop funktioniert dadurch, dass er auch die Rolle des Unternehmers parodiert: Von 12 bis 14 Uhr blockiert ein virtuelles Eisengitter den Zugriff zum Warenangebot. „Wir kämpfen für ein Recht auf Mittagspause“, sagt Chromy. Am Sonntag ist der Shop gesperrt.

Derzeit ist der Nachbau einer von den Antipreneuren entworfenen Uhr in der Sonderausstellung MS Reichtum im Deutschen Hygienemuseum, Dresden, zu sehen: Die Luxusuhr „Privatier – wenn Zeit und Geld keine Rolle spielen“, eine Golduhr ohne Ziffernblatt, verziert mit Diamanten aus Sierra Leone. Wer Seitenhiebe wie diese in der Produktbeschreibung nicht versteht, wird sich spätestens nach dem Klick auf das Feld „Kaufen“ fragen, warum er eines dieser Produkte erwerben wollte. Versprochen.

JULIA AMBERGER