: Befreiungsschlag? Oder Profitgier?
NETZ Mit dem PirateBrowser können Nutzer Netzsperren umgehen
„Keine Zensur mehr“, fordern die Betreiber der Filesharing-Plattform The Pirate Bay (TBP) – und sprechen dabei gezielt Menschen im Iran und in Nordkorea an. Mit dem neuen PirateBrowser können diese die „Zensur umgehen“ und Internetseiten besuchen, die in ihren Ländern gesperrt sind.
Zum zehnten Geburtstag der Plattform haben die Betreiber den Browser auf einer Internetseite zum Download bereitgestellt. Es handelt sich dabei um eine Kombination aus dem kostenlosen Browser Firefox und der ebenfalls kostenfreien Anonymisierungssoftware TOR, mit der man unerkannt im Netz surfen kann. Weiter unten auf der Seite finden die User eine englischsprachige Anleitung zum Herunterladen und Installieren des Browsers. Eine taz-Anfrage zu dem Browser und besonders zu der Frage, ob die Anleitung bald auch auf Farsi und Koreanisch angezeigt wird, ließen die Betreiber von The Pirate Bay vorerst unbeantwortet.
Der Mitgründer von The Pirate Bay, Peter Sunde, der das Projekt vor einigen Jahren im Streit verlassen hat und heute beim Mikrobezahldienst flattr arbeitet, sieht den Vorstoß mit dem eigenen Browser der Plattform kritisch: „Ich befürchte, dass es dabei um die Maximierung von Werbeeinnahmen geht.“ Das würde dem heutigen Kurs der Betreiber entsprechen, die sich nicht so sehr um „wichtige Öffentlichkeits- und Informationsarbeit“ kümmerten. Die Ankündigung der Betreiber, weltweit den Usern im Kampf gegen Zensur helfen zu wollen, kommentiert Sunde kritisch: „Ich kann überhaupt nichts mehr glauben, was von Pirate Bay kommt.“
Technisch gesehen sei das Angebot von TPB schlecht. Auf der Internetseite, wo man den PirateBrowser herunterladen kann, verweisen die Macher darauf, dass man damit nicht anonym surfen kann. Die Software helfe lediglich, Netzsperren zu umgehen. Auf den aufgerufenen Internetseiten sei man allerdings nicht mehr mit verschleierter virtueller Identität unterwegs. „Ich denke, es ist dumm, neben dem normalen TOR noch einen anderen Browser zu starten“, sagt Sunde. Es sei nur eine billige Kopie mit einem Plug-in, ohne Support und mit weniger Updates.
Bruno Kramm von der deutschen Piratenpartei sieht den neuen Browser hingegen als „eine Form von digitaler Notwehr“. Es entspreche den Bedürfnissen der Menschen, Netzsperren zu umgehen, „die es ja auch bei uns gibt“, sagt er. Zum Beispiel wenn jemand ein Youtube-Video sehen möchte, das in Deutschland gesperrt ist. „Für die Content-Industrie ist die Pirate Bay der Feind Nummer eins“, sagt er. Die Plattform, die eigentlich nur eine Linksammlung sei, werde mit allen Mitteln bekämpft.
So wie bei der Pirate Bay nicht das Besitzen von Inhalten, sondern das Teilen im Vordergrund steht, spielt auch Bruno Kramms Plakat für den Bundestagswahlkampf mit der Aufschrift „Teilen ist das neue Haben“ auf das Konzept der Share Economy an. „Das betrifft natürlich nicht nur den Bereich des Filesharing“, sagt Kramm. Die Gesellschaft müsse sich in vielen Bereichen von einer marktwirtschaftlichen Logik lösen und zu einem gemeinsamen „Hegen und Pflegen“ von Gütern kommen – vom Carsharing über selbst verwaltete Kindergärten bis hin zu regionalen Wirtschaftskreisläufen.
In einem Blog-Eintrag auf der Seite von TPB, der einen Link zum PirateBrowser enthält, prangt zwar auch „Keine Zensur mehr“ in der Überschrift. Doch der Aufruf hat nichts mehr mit unterdrückten Menschen in Ländern wie dem Iran oder Nordkorea zu tun. „Kennst du jemanden, der The Pirate Bay oder andere Filesharing-Seiten nicht nutzen kann, weil sie gesperrt sind“, heißt es da. „Empfehle ihm den PirateBrowser“. Werbung in eigener Sache also. ALEXANDER KOHN