: Vergiftete Atmosphäre
KONFRONTATION Der Ton derer in Kiew, die den Krieg im Donbass mit militärischen Mitteln lösen wollen, wird immer schärfer. Der neue Kiewer Polizeichef ist ein Rechtsradikaler
AUS KIEW BERNHARD CLASEN
Nach den Wahlen in den international nicht anerkannten „Volksrepubliken“ von Lugansk und Donezk am vergangenen Sonntag verschärft sich der Ton im Konflikt zwischen Kiew und dem Donbass. Präsident Petro Poroschenko droht mit der Aufhebung des kürzlich beschlossenen Sonderstatus für die Regionen. Außenminister Pawlo Klimkin kündigte ein entschlossenes Vorgehen der Ukraine gegenüber den Separatisten an.
Doch es sind nicht nur Worte, die die Atmosphäre weiter vergiften. Die Kräfte im ukrainischen Machtapparat, die für einen unnachgiebigen Kurs und eine militärische Lösung des Konflikts stehen, senden klare Signale. Am Dienstag ernannte Innenminister Arsen Awakow völlig unerwartet den Vizekommandeur des Freiwilligenbataillons „Asow“, Wadim Trojan, zum Chef der Miliz des Gebietes Kiew. Nach Angaben der ukrainischen Ausgabe der Komsomolskaja Prawda ist Trojan auch Mitglied bei den rechtsradikalen „Patrioten der Ukraine“. Die Ernennung eines Kämpfers von „Asow“ verschafft den Kräften im politischen Raum, die sich für eine kompromisslose Haltung im Donbass-Konflikte einsetzen, weiteres Gewicht. In der Vergangenheit waren die ukrainischen Freiwilligenverbände, darunter auch „Asow“, immer wieder in die Kritik von Menschenrechtsorganisationen geraten. Amnesty International hatte diesen in einem Bericht im September schwere Verbrechen vorgeworfen.
Sofort nach seiner Ernennung zum Milizchef kündigte Trojan an, dass er vielen Kiewer Milizionären durch eine Versetzung zur „Anti-Terror-Operation“ in den Osten des Landes die Möglichkeit geben werde, sich selbst „zu stählen“. Beobachter gehen davon aus, dass weitere Spitzenposten im ukrainischen Machtapparat von bekennenden Rechtsradikalen besetzt werden. „Die Idee, Freiwilligen führende Posten zu geben, die mit Herz und Seele bei der Miliz sind, wird nun umgesetzt“, lobte Anton Geraschtschenko, Berater von Innenminister Awakow, die Ernennung. Nicht überall stößt die Nähe des neuen Polizeichefs zu Neonazis auf Gegenliebe. „Ich bin empört über die Ernennung einer Person zum Kiewer Polizeichef, die mit dem Nazi-Milieu in Verbindung steht“ sagt der Menschenrechtler Jewgenij Zacharow aus dem ostukrainischen Charkiw.
Unterdessen machen die ins Parlament gewählten Vertreter der bewaffneten Freiwilligenverbände deutlich, dass sie nicht beabsichtigen, lediglich die Rolle von Statisten zu übernehmen. Der in Kiew direkt gewählte Andrij Bilezkij, Kommandeur des Freiwilligenbataillons „Asow“ und Chef der rechtsradikalen „Patrioten der Ukraine“, erklärte am Montag, die neuen Abgeordneten, die zuvor im Donbass gekämpft hatten, würden parteienübergreifend eine eigene Plattform gründen. „Zunächst ist die Wahl einiger Kämpfer von Freiwilligenverbänden in das Parlament kein Grund zur Beunruhigung. Doch langfristig könnten wir ein Problem bekommen. Was machen wir, wenn in einer Konfliktsituation die Abgeordneten, die ihre Heimat in den Freiwilligenverbänden haben, ihre Kameraden zu einem bewaffneten Marsch auf Kiew aufrufen?“, fragt der Politologe Wladimir Fesenko.
Ein erster Konflikt der selbstbewussten Frontkämpfer mit anderen Abgeordneten ist bereits programmiert. Man werde all die Abgeordneten am Zugang zum Parlament hindern, die im vergangenen Januar für die diktatorischen Gesetze des ehemaligen Präsident Wiktor Janukowitsch gestimmt hatten, ließ die Gruppe der Abgeordneten um Bilezkij mitteilen.
Es scheint eng zu werden für Präsident Poroschenko, der auf eine friedliche Lösung des Konflikts setzt. Und er muss sich mit einem Koalitionspartner von der „Volksfront“ absprechen, der für ein hartes Vorgehen im Donbass steht. Bei der „Volksfront“ gibt Alexander Turtschinow den Ton an. Und der würde den Donbass am liebsten „vollständig von den Eroberern säubern“ lassen.