: Selber machen ist gar nicht so leicht
REKOMMUNALISIERUNG Andernorts arbeiten Stadtwerke längst an der Energiewende. In Berlin bleibt weiter unklar, ob die Forderung des Volksbegehrens nach einem kommunalen Energieakteur eingelöst wird
SENATOR MICHAEL MÜLLER, SPD
Noch kann Berlin nur davon träumen, was Wolfhagen, Krefeld und Bonn am Dienstag erreicht haben: Ihre Stadtwerke gewannen Preise für die lokale Umsetzung der Energiewende, die „Stadtwerke Awards 2013“. Wolfhagen in Nordhessen etwa hat eine Bürgergenossenschaft zu Miteigentümerin des eigenen Unternehmens gemacht, während die Stadtwerke Krefeld ihren Kunden mit einem neuen Kontrollsystem helfen, Energie zu sparen. In Berlin ist dagegen weiter unklar, ob es überhaupt ein Stadtwerk geben wird.
Am konkretesten ist bisher der Vorschlag des Berliner Energietischs, der bis 10. Juni noch an die 80.000 Unterschriften sammeln muss, um seinen Gesetzentwurf zum Volksentscheid zu bringen. Der Entwurf sieht die Gründung von Stadtwerken als Anstalt des öffentlichen Rechts vor, die erneuerbare Energien selbst produziert und einkauft, um sie an Haushalte und Unternehmen zu vertreiben. Das Fernziel: die komplette Versorgung Berlins mit dezentral erzeugter, grüner Energie. Dafür sollen die Stadtwerke vor allem die Potenziale an Wind- und Sonnenenergie in Brandenburg nutzen und könnten auch in anderen Bundesländern tätig werden.
Über die Berliner Stadtgüter GmbH gehören Berlin rund 17.000 Hektar Fläche in Brandenburg – das landeseigene Unternehmen wirbt derzeit für sein Konzept, wonach es mit Solar- und Windkraftanlagen über Berliner 100.000 Haushalte versorgen könnte. Auch mit anderen Kommunalunternehmen könnten Berliner Stadtwerke kooperieren – etwa mit der BSR, die die im Müllheizkraftwerk Ruhleben erzeugte Energie derzeit an Vattenfall verkauft.
Hilfe beim Sparen
Zu den Geschäftszielen von Stadtwerken sollen aber auch eine soziale Tarifgestaltung für die Kunden, die energetische Sanierung von Gebäuden und Maßnahmen zur Energieeinsparung gehören. Über alle Projekte entschied ein Verwaltungsrat, in dem neben Senatsmitgliedern auch Arbeitnehmervertreter und direkt gewählte Bürger säßen. Das Gremium müsste Vorschläge beraten, wenn dafür 3.000 Unterschriften von Unterstützern zusammenkommen. 5.000 Unterschriften würden zu einer allgemeinen Kundenbefragung verpflichten. So soll auch die Demokratisierung der Energiepolitik gelingen.
Insbesondere die direkt gewählten Verwaltungsräte stoßen bei Rot-Schwarz auf wenig Gegenliebe: Die Wahlen wären zu aufwendig und missachteten das Repräsentationsprinzip der parlamentarischen Demokratie, heißt es. Im Dezember brachten SPD- und CDU-Fraktion einen eigenen Antrag ins Abgeordnetenhaus ein, der Stadtwerke mit einem Beirat als Schnittstelle zu den Bürgern vorsah. Es war ein Kompromissangebot an den Energietisch und sollte diesen vom Volksbegehren abbringen. Die Initiative lehnte jedoch dankend ab – auch weil SPD und CDU wollen, dass das Stadtwerk ausschließlich selbst produzierte Energie verkauft. Das wäre ein schwerwiegendes Hemmnis für die anfangs wichtige Gewinnung möglichst vieler Neukunden.
Dieser Antrag geistert immer noch durchs Parlament, obwohl er als politisch tot gilt: Denn die Koalition wollte als Stadtwerk eine BSR-Tochter gründen. Doch schon im Januar signalisierten BSR-Chefin Vera Gäde-Butzlaff und Umweltsenator Michael Müller (SPD), dass es bessere Modelle gibt: eine Umgestaltung der Berliner Energieagentur (BEA) etwa, die bereits jetzt Photovoltaikanlagen baut und betreibt oder Aufträge zur energetischen Gebäudeoptimierung übernimmt. An der BEA halten aber neben dem Land und der staatlichen KfW-Bank auch Gasag und Vattenfall Anteile. Sie müssten erst herausgekauft werden.
Dem Vernehmen nach lässt die Senatsumweltverwaltung ein Angebot von Vattenfall seit Wochen unbeantwortet, das zunächst eine Reduzierung der privaten Anteile vorsieht. Der schwedische Konzern bemüht sich derzeit auch mit einer großen Plakatkampagne um ein positives Image und will keinesfalls als Stadtwerk-Verhinderer dastehen – auch wenn ihm damit ein Konkurrent erwüchse.
Erfahrene ins Boot holen
Vielleicht bleibt die Antwort aus, weil Umweltsenator Müller Gefallen an einem ganz anderen Weg gewonnen hat: der Kooperation mit erfahrenen Akteuren bei der Gründung eines ganz neuen Unternehmens – wie Stuttgart, das sich für sein Stadtwerk die Elektrizitätswerke Schönau ins Boot holte. Auf taz-Anfrage erklärte Müller: „Die Kooperation eines neu zu gründenden Stadtwerks mit bereits bestehenden Stadtwerken oder Verbünden ist eine der zu prüfenden Varianten.“ Netzwerke von Stadtwerken gibt es einige, etwa das in Aachen, Ulm und Berlin ansässige Unternehmen Trianel. Zugleich dämpft der Senator zu hohe Erwartungen: „Es ist ein langer und steiniger Weg zu einem eigenen Stadtwerk, das auf Augenhöhe mit den großen Versorgern arbeitet“, sagte er am Mittwoch bei der Eröffnung der Berliner Energietage.
Nicht ausgeschlossen ist, dass gar nichts aus den Berliner Stadtwerken wird. Wenn das Volksbegehren scheitert, wird gerade die CDU, die weniger von öffentlich betriebenen Unternehmen hält, nicht unglücklich sein: Sie kann dann auf mangelndes Interesse am Thema verweisen.
SEBASTIAN PUSCHNER