: Deutschland schiebt unbeirrt ab
FLÜCHTLINGE EU-Menschenrechtskommissar fordert Deutschland auf, keine Roma ins Kosovo abzuschieben. Doch Regierung bleibt hart: „Soziale Aspekte nicht ausschlaggebend“
EU-MENSCHENRECHTSKOMMISSAR
VON BENJAMIN LAUFER
GÖTTINGEN taz | Die Bundesregierung will trotz ernster Bedenken von EU-Menschenrechtskommissar Thomas Hammarberg weiterhin Flüchtlinge in das Kosovo abschieben. Das bestätigte ein Sprecher von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) der taz. Man habe Hammarberg mitgeteilt, jährlich 2.500 Menschen in das Kosovo abschieben zu wollen, sagt Ministeriumssprecher Henrik Lörges.
Bereits im November hatte Hammarberg in einem offenen Brief an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) appelliert, insbesondere keine Roma in das Kosovo abzuschieben. „Das Kosovo hat keine Infrastruktur, die eine nachhaltige Reintegration der Flüchtlinge erlaubt“, schrieb der Menschenrechtskommissar. Es sei offensichtlich nicht die richtige Zeit für Abschiebungen in das Kosovo, insbesondere nicht für Roma. Sie seien im Kosovo nach wie vor politischer Verfolgung ausgesetzt und müssten in Lagern leben. In der vergangen Woche hatte Hammarberg erneut auf die empörende Lebenssituation für hunderte Roma hingewiesen.
Die Bundesregierung ist jedoch der Auffassung, dass „keine unmittelbare Gefährdung nur aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie besteht“, wie Innenministeriumssprecher Lörges der taz berichtet. Im Übrigen seien „wirtschaftliche oder soziale Aspekte im Zielstaat nicht ausschlaggebend für die Frage der Rückführbarkeit einer Person“. Der Vollzug von Rückführungen richte sich nach dem Deutschen Aufenthaltsgesetz. Die Abschiebungen in das Kosovo haben bereits begonnen. 2009 seien 541 Personen dorthin abgeschoben worden, so Lörges, darunter 76 Roma.
Insgesamt leben rund 10.000 Roma in Deutschland. Die Flüchtlinge waren vor zehn Jahren auf der Flucht vor dem Kosovokrieg nach Deutschland gekommen. Im vergangenen Jahr hatte die Bundesregierung mit dem Kosovo ein sogenanntes Rückübernahmeabkommen geschlossen, das die Abschiebung aller Flüchtlinge in das Land vorsieht.
Die Europaabgeordnete Cornelia Ernst (Linkspartei) kritisiert die Bundesregierung. „Eine Rückkehr in das Kosovo setzt voraus, dass die Betroffenen würdevoll und sicher aufgenommen und integriert werden könnten“, sagte sie zur taz. Sie wolle für ein Bleiberecht der Roma in Deutschland kämpfen.
Auch Bastian Wrede vom niedersächsischen Flüchtlingsrat hält das für notwendig. „Die Roma leben im Kosovo noch immer extrem ausgegrenzt“, berichtet er. Sie litten unter rassistischer Ausgrenzung, die Wohnverhältnisse seien unzumutbar. „Teilweise sind das Barackensiedlungen, teilweise sehr, sehr arme Wohnverhältnisse mit acht oder zehn Leuten in ein, zwei Zimmern.“ Es sei zynisch zu sagen, die Roma hätten eine Chance, sich dort eine Existenz aufzubauen.