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„Das brauchen wir knackiger“

ORTSTERMIN Horst Seehofers Facebook-Party war ziemlich lau. Aber das ist egal, denn die Medien waren zahlreich erschienen und somit war ein PR-Erfolg garantiert

Die meisten blieben draußen, um das CSU-gesponserte Freigetränk zu genießen

AUS MÜNCHEN MARLENE HALSER

Tagelang hatten die Münchner Lokalmedien über die geplante Party von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) für seine „Facebook-Freunde“ in der Münchner Nobeldisco P1 berichtet. Von enternden Piraten war die Rede, von einem Protest-Flashmob, von Nazis, die die Veranstaltung stürmen.

Geschehen ist nichts. Selbst von den 2.561 angemeldeten Seehofer-Fans erschien nur gut ein Viertel. Die CSU kann die Party dennoch als gelungenen PR-Gag verbuchen. Denn unter den rund 600 Gästen waren etwa 150 Journalisten, die die Bilder vom entspannt plaudernden „Horsti“ postwendend in die Welt hinaus sendeten.

Eben jene Traube aus Journalisten, Fotografen und Kameraleuten war es auch, die Seehofer gierig empfing, als er um kurz nach neun – ganz lässig, ohne Krawatte – die breite Steintreppe hinter dem Haus der Kunst herunter kam, um sich unters Partyvolk zu mischen. Doch die „ganz normalen Menschen“, mit denen Seehofer betont bürgernah hatte plaudern wollen, kamen erst mal nicht zu ihm durch. Eine gute Stunde brauchte der CSU-Vorsitzende, der nun auch die „Neuen Medien“ als Wahlkampfplattform für sich entdeckt hat, für die rund 50 Meter durch den loungeartigen Außenbereich, hinein ins Innere der aus der Klatschpresse bekannten Nobeladresse für die selbst ernannten Reichen und Schönen.

Neben den Journalisten war auch der Landesvorsitzende der bayerischen Piraten, Stefan Körner, gekommen, um Seehofer angesichts seiner nun erfolgreich unter Beweis gestellten Internetkompetenz einen Mitgliedsausweis der Piratenpartei zu überreichen. Prompt bot Seehofer Körner das „Du“ an, holte ihn später sogar zu sich auf die Bühne und lobte den Schneid und die Fairness der Partei. Er werde den Mitgliedsausweis zwar nicht unterschreiben, sagte Seehofer feixend. „Aber aufheben werde ich ihn schon. Man weiß ja nie, was noch für Koalitionen auf einen zukommen.“

Endlich auf der Bühne angelangt, durfte er auf die von der Moderatorin artig gestellten Fragen über technischen Errungenschaften seit Erfindung des C64 schwadronieren und versicherte, man wolle „im Internet ja gar nicht alles verbieten“. Auch seinen Redenschreiber Jürgen Fischer, der „für die technische Umsetzung“ seiner Facebook-Posts zuständig ist, stellte er vor. „Den rufe ich an und sage ihm meine Sätze“, erklärte Seehofer nonchalant, „und der sagt dann schon mal: Das ist jetzt nicht so flockig, das brauchen wir knackiger.“ Den überwiegend jugendlichen Gästen in konservativer Garderobe war’s egal. Die meisten waren ohnehin draußen geblieben, um das CSU-gesponserte Freigetränk zu genießen. Seehofer selbst schien enttäuscht darüber, dass ihm so wenig Kritik entgegenschlug. Er habe auf der Veranstaltung mit mehr Frechheiten gerechnet. Doch die gab es den ganzen Abend nicht. Die rund 30 Mitglieder der Piratenpartei, die vor dem P1 einen Infostand aufgebaut hatten, waren von Seehofer mit gönnerhafter Geste eingeladen worden – wohl auch, damit das abgesperrte Areal nicht ganz so leer aussah. Selbst einige Mitglieder des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS) hatten es ohne vorherige Anmeldung und große Kontrolle ins P1 – das sonst für seine strenge Tür bekannt ist – geschafft – und standen dann staunend zwischen den champagnertrinkenden Stammgästen.

Am Ende war es Horst Seehofer, der fast am längsten blieb – sichtlich gut gelaunt. Wie viel der Polizeieinsatz den Steuerzahler und die Veranstaltung die Partei gekostet hat, bleibt ein Geheimnis, das in der Bierseligkeit der lauen Frühlingsnacht unterging. Stattdessen kündigte Seehofer an, die Veranstaltung an anderen Orten in Bayern zu wiederholen. Kein Wunder, denn was allen Unkenrufen zum Trotz unterm Strich vom Abend bleibt, ist ein ziemlich flockiges „Big Like“.

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