ANNE HAEMING DER WOCHENENDKRIMI : Der Kopf im Kühlschrank
In Wien wird mal wieder ziemlich viel gestorben. In der letzten Folge haben manche 15 Tote gezählt, heuer sind’s etwa halb so viel – immerhin. Darunter drei Tiefgefrorene, die neben Hühnerfüßen im Container lagern, ein Selbstmord und einer in Einzelteile zerlegt.
Bei so vielen Opfern geraten Chefinspektor Moritz Eisner (Harald Krassnitzer), seine Partnerin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und die Zuschauer in „Falsch verpackt“ etwas durcheinander: Wie chinesische Zuwanderer, ein Geflügelhändler, eine Immobilienfirma, der Chef der Ausländerpolizei und seine chinesische Exfrau in das Drama verwickelt sind, lässt sich am Ende nicht ganz sortieren – wurscht!
Denn wo in anderen „Tatort“-Filialen der Fall nur Kulisse für eine moralinsaure Geschichte über Sweatshops und als Bioware etikettierte Billighühner mit Vogelgrippevergangenheit wäre, bleibt einem das hier erspart, dank Regie (Sabine Derflinger) und Drehbuch (Martin Ambrosch). Nichts ist krampfig daran, dass Geflügel-Müller (herrlich schmierig: Martin Brambach) sagt: „Der Europäer ist ein Brustesser“, Eisner in Abnehmlaune ist und die Bibi ihm Wurstsemmeln hinterherträgt.
Vor allem aber: Krassnitzer und Neuhauser spielen phänomenal. Das zeigen sie etwa in einer anderthalbminütigen Szene ohne Schnitt – bei anderen Tatortkollegen unvorstellbar. Sie brüllen sich geifernd an, verfallen in zischendes Flüstern und gehen ihres Wegs. Na ja, sie sind halt verdammt schlecht drauf. Eisner wegen seiner Diät, Bibi, weil sie von ihrem Alkoholismus und ihren Unterweltspezis, sprich: dem altbekannten Inkasso-Heinzi (Simon Schwarz), heimgesucht wird. Und dann besteht die Spurensicherung auch noch auf ihrer Pause und die Kommissare müssen den abgesäbelten Kopf daheim im Kühlschrank lagern. „Ich bin so eine Null“, heult Eisner, „oid, dick und blöd.“ Na, servus. Aber er darf das.
■ Wien-„Tatort“: „Falsch verpackt“; Sonntag, ARD, 20.15 Uhr