WIE WIRD MAN EIGENTLICH KOMMISSIONSPRÄSIDENT? : Angst vor dem dritten Mann
BONSE FRAGEN
Ach, wenn doch alles so einfach wäre, wie Martin Schulz es gerne darstellt! Der Spitzenkandidat der Sozis für die Europawahl weiß scheinbar ganz genau, wie man Präsident der Europäischen Kommission wird. Man muss bloß am 25. Mai die meisten Wählerstimmen auf sich vereinen, dann wird man vom Europaparlament nominiert und gewählt – und schon darf man die beliebte Brüsseler Behörde führen!
Doch ganz so einfach ist es nicht. Von einer Direktwahl des Kommissionspräsidenten ist nämlich keine Rede im EU-Vertrag von Lissabon. Auch nicht von einem Vorschlagsrecht des Parlaments. Das hat vielmehr der Europäische Rat, also die Versammlung der 28 Staats- und Regierungschefs. Die Chefs sollen bei der Nominierung des Kommissionspräsidenten zwar den Ausgang der Europawahl „berücksichtigen“ – das war’s aber auch schon.
Und was heißt das jetzt konkret? Wird der Sieger der Europawahl nun Kommissionspräsident? Über diese Frage ist ein heftiger Streit entbrannt, der uns noch lange beschäftigen dürfte. Im Kern geht es nämlich nicht nur um den nächsten Behördenchef, sondern um die Macht im Bermudadreieck der Brüsseler EU-Institutionen. Und natürlich geht es auch um die Demokratie in Europa.
Der Einsatz ist also hoch, entsprechend hart sind die Bandagen, mit denen gekämpft wird. Schulz warnt vor einem „Hinterzimmer-Deal“, sein Parteichef Sigmar Gabriel sogar vor „Volksverdummung“. Sie fürchten, Kanzlerin Merkel könne am Ende das Votum der Wähler übergehen und weder Schulz noch den konservativen Jean-Claude Juncker, sondern einen dritten Mann nominieren.
Es kursieren sogar schon Namen: Der finnische Premier Jyrki Katainen wird als möglicher Ersatzkandidat gehandelt. Ob Katainen wirklich eine Chance hat, dürfte sich schon zwei Tage nach der Europawahl zeigen: Dann wollen sich die Chefs in Brüssel treffen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Mit schnellen Entscheidungen sei nicht zu rechnen, die Nominierung könne noch Wochen dauern, warnte Merkel.
Wie wird man eigentlich Kommissionschef? Offenbar weiß auch die Kanzlerin noch keine schlüssige Antwort. Klar ist nur, dass sie sich das Heft nicht aus der Hand nehmen lassen will. Der Dumme könnte am Ende der Wähler sein. Und natürlich Schulz. Wenn es schlecht läuft, wird er nämlich nicht nur kein Kommissionspräsident, sondern gar nichts. Merkel möchte nämlich Energiekommissar Günther Oettinger recyceln – und erneut für Brüssel nominieren!