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Archiv-Artikel

Gesamtkunstwerk und Google

LEISTUNGSSCHUTZ Wer zahlt wann und für was? Ein von der Regierung geplantes Gesetz zur Verwertung von Texten im Internet erregt Kritik. Dabei soll es schon bald in Kraft treten

VON STEFFEN GRIMBERG

Selten hatte die Grünen den BDI so lieb: Mit seiner Breitseite gegen das als Kabinettsentwurf vorliegende Leistungsschutzrecht (LSG) für Presseverlage hatte der Bundesverband der Deutschen Industrie die Schlacht um das Gesetz schon am Freitag befeuert. Gestern legte die Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht (Igel) mit dem Vorsitzenden der Monopolkommission der Bundesregierung nach. Fazit: Auch Justus Haucap, dessen Kommission das Bundeswirtschaftsministerium berät, warnt vor der Einführung des LSG.

Er habe „die Befürchtung, dass es mehr Probleme schafft, als löst, aus ökonomischer Sicht bin ich auch von der Notwendigkeit nicht überzeugt“, so Haucap, im Hauptberuf VWL-Professor an der Universität Düsseldorf.

Mit dem LSG sollen Presseverlage, wie heute schon Musik- und Filmproduzenten, ein besonderes Schutzrecht auf das „Gesamtkunstwerk“ Zeitung oder Zeitschrift erhalten. Dies soll ihnen helfen, die gewerbliche Weiternutzung von Inhalten ihrer Publikationen im Netz zu unterbinden beziehungsweise derartige Mitnutzer wie Suchmaschinen und Nachrichtenaggregatoren zur Kasse zur Bitten. Nach Monaten des Wartens soll das bereits im Koalitionsvertrag von 2009 versprochene Bonbönchen für die Printbranche am 4. Juli dieses Jahres vom Kabinett beschlossen und auf den Gesetzgebungsweg gebracht werden.

Haucap bezweifelte generell den Sinn des LSG: Schließlich schütze das eine „kompositorische Leistung der Verlage“ – also die komplette Zeitungsausgabe. Dabei habe sich das Nutzerverhalten im Netz ja gerade so verändert, dass dort niemand mehr nach kompletten Zeitungen, sondern „nach einzelnen Elementen aus unterschiedlichen Quellen sucht“. Diese „Entbündelung“ führe dazu, dass die Nutzer die Komposition von Inhalten jetzt selbst vornähmen. Der Monopolkommissionschef stimmte auch in die BDI-Kritik ein, nach der im LSG-Entwurf wesentliche Punkte unklar blieben – allem voran, wie „gewerbliche Nutzung“ zu definieren sei.

Haucap warnte zudem vor übertriebenen Erwartungen: Sollte es nicht zu einer verpflichtenden Verwertungsgesellschaft kommen, die wie die Gema das LSG durch- und einheitliche Preise festsetzt sowie das Inkasso übernimmt, drohten vor allem kleinen Verlagen Nachteile. Diese könnten mangels Marktmacht wohl kaum Ansprüche gegen Google durchsetzen – aber umgekehrt unter Umständen sogar an Google zahlen müssen, um dort überhaupt gelistet zu sein und so Reichweite im Netz zu erzielen. Eine Pflichtverwertungsgesellschaft ist bislang im Gesetzentwurf nicht vorgesehen.