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Archiv-Artikel

Rüge für die Vetternwirtschaft

PARTEIFREUNDE Entwicklungsminister Dirk Niebel hat FDP-Politikerin Gabriela Büssemaker für 100.600 Euro im Jahr zur Geschäftsführerin einer Servicegesellschaft des Ministeriums gemacht. Der Bundesrechnungshof kritisiert Personalie und Besoldung

„Vorsichtig ausgedrückt – es ist mit einem ‚Gschmäckle‘ behaftet“

FDP-Mann Siegfried Heidel

VON HANNA GERSMANN

BERLIN taz | Gabriela Büssemaker ist FDP-Frau, Geschäftsführerin der Servicestelle für Entwicklungsinitiativen „Engagement Global“, angeheuert von FDP-Entwicklungsminister Dirk Niebel und – überbezahlt. Das beanstanden die Prüfer des Bundesrechnungshofs in einem scharf gefassten Bericht. „Die Funktionen der Geschäftsführung der Engagement Global sind deutlich überwertet“, schreibt der Bundesrechnungshof in einem Bericht, der der taz vorliegt.

Büssemaker, gelernte Rechtsanwalts- und Notarsgehilfin, war schon vor ihrer Berufung zur Geschäftsführerin der gemeinnützigen staatlichen Gesellschaft umstritten. Sie war Oberbürgermeisterin in Ettlingen, einer 39.000-Einwohner-Gemeinde in Baden-Württemberg, als Dirk Niebel sie als Geschäftsführerin der Engagement Global gGmbH – Service für Entwicklungsinitiativen holte. Fortan musste sich der Minister gegen den Vorwurf der Vetternwirtschaft wehren.

Büssemaker, einst Betreiberin einer Eventagentur, hatte sich bis dahin in der Entwicklungspolitik keinen Namen gemacht – stattdessen machte sie Schlagzeilen, die nicht zu ihrem Besten waren. Mal musste sie einen Strafbefehl über 3.000 Euro wegen Vorteilsnahme zahlen. Sie hatte sich von der Eon Ruhrgas AG zu einer „Informationsreise“ nach Norwegen einladen lassen. Mal zoffte sie sich öffentlich mit ihrem Vizebürgermeister, dem sie zeitweise Hausverbot im Rathaus erteilte.

Selbst die FDP-Basis in Baden-Württemberg, Niebels Landesverband, stellte sich gegen die Personalie. So erklärte Siegfried Heidel, Vorsitzender des FDP-Ortsverbandes Karlsbad/Marxzell, die Besetzung der hoch dotierten Stelle mit Büssemaker sei – „vorsichtig ausgedrückt – mit einem ‚Gschmäckle‘ behaftet“. Die Parteimitglieder seien der „ewigen, meist fruchtlosen Rechtfertigungsdiskussionen leid“.

Niebel wurde schon oft vorgeworfen, führende Mitarbeiter für das Entwicklungshilfeministerium nach Parteibuch auszusuchen. Die Leute in Heidels FDP-Ortsverband ließen aus Protest gegen Niebel alle parteiinternen Ämter ruhen und sahen damit vom Parteiaustritt ab.

Um seine Parteifreunde in Baden-Württemberg zu beruhigen, schrieb Niebel ihnen per Brief: „Alle zu besetzenden Stellen wurden und werden über transparente Personalauswahlverfahren vergeben.“ Er habe jemanden mit kommunalpolitischer Erfahrung gesucht, um in den Kommunen mehr Menschen zu gewinnen, sich entwicklungspolitisch zu engagieren. Er wolle die Zahl der Engagierten auf zwei Millionen verdoppeln. Bei Engagement Global sollten daher „gerade“ die Kommunen mitwirken, schrieb Niebel. Büssemaker habe als Exoberbürgermeisterin einer Kommune „große Erfahrung aufzuweisen“. Niebels beamteter Staatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz versprach FDP-Mann Heidel, Büssemaker werde nach gut einem Jahr an ihren Erfolgen gemessen. Das war im Frühjahr 2012. Heidel war besänftigt, hat aber nie wieder vom Staatssekretär gehört. Heidel sagt heute: „Wir werden ihn erinnern und uns das in den nächsten Monaten genau angucken.“

Andere sind mit „Angucken“ schon weiter. Heike Hänsel zum Beispiel, entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. Sie hält die Servicestelle für einen „Wasserkopf“ und für „zu zentralistisch“. Priska Hinz, die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen, beschreibt die Personalfindung im Ministerium so: „Ich Minister, ich Niebel weiß besser, wie die Arbeit laufen soll und will das unter meiner Ägide haben.“ Hinz findet das „schlicht nicht in Ordnung“.

Das sehen die Leute in den entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen ähnlich. Genervt sind sie und sprechen von „Engagement Total“ statt von „Engagement Global“. Die Servicestelle habe einen „umfassenden Kontrollanspruch“ und mische sich in ihre Aufgaben ein.

Niebels Umbau

■ Ansage: Dirk Niebel hat das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) seit Amtsantritt 2009 umgebaut. Bevor er Entwicklungsminister wurde, wollte er das Ministerium abschaffen. Er kündigte an, die Entwicklungspolitik aus der „Schlabberpulli-Ecke“ zu holen.

■ Baustelle: Niebel hat die staatlichen Entwicklungshilfeorganisationen zusammengelegt – den Deutschen Entwicklungsdienst (DED) mit der Bildungsagentur Inwent und der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) zur Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ. Der Stellenplan des Bundes wurde laut Niebel dadurch um 300 Stellen entlastet, 40 Stellen wurden im Ministerium neu geschaffen. Niebel gründete das Deutsche Evaluierungsinstitut (DEval) mit einem Budget von 5,2 Millionen Euro im Jahr und 38 Mitarbeitern, das die Arbeit der GIZ begutachten soll. (hg)

Zum Beispiel auf dem ersten deutschen Entwicklungstag im Mai 2013. Büssemakers Gesellschaft hat die Veranstaltung organisiert. Bürger und Unternehmen präsentierten sich auf zentralen Plätzen in Städten mit Tombolas, Basteltischen, Geschicklichkeitsparcours. Es war Niebels Idee, sein Tag, sein Auftritt, er eröffnet den Entwicklungstag in Berlin. Wer mitmachte, hatte auf das Konzept kaum Einfluss. Das Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein (BEI) stieg darum aus. Andere taten es ihm gleich.

Simon Ramirez-Voltaire leitet die Arbeitsgemeinschaft der Eine-Welt-Landesnetzwerke in Deutschland, den Dachverband der kleinen entwicklungspolitischen Initiativen. Er sieht in Engagement Global die „Verstaatlichung zivilgesellschaftlicher Bildungsarbeit“ und eine „Doppelstruktur“. Im Grunde spreche nichts gegen eine Bündelung von Beratungsangeboten, sagt Ramirez-Voltaire. Die Leute bei Engagement Global seien „gut“, die Ansätze auch. Aber die NGOs hätten sich gewünscht, dass die Anlaufstelle „in die Hand der Zivilgesellschaft kommt“.

Büssemaker ist der Besoldungsgruppe B6 zugeordnet. Ihre Gesamtbezüge beliefen sich im Geschäftsjahr 2012 auf knapp 100.600 Euro. So steht es im „Corporate Governance Bericht“ der gGmbH. Die Prüfer vom Bundesrechnungshof monieren, dass eine B6-Stelle sonst der Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung oder der des Bundeszentralamtes für Steuern bekommen. Deren Verantwortung sei größer als die von Büssemaker, deren gGmbH - 145 Stellen, 16,7 Millionen Euro institutionelle Förderung - Schulen hilft, die eine Partnerschaft aufbauen, oder Unternehmen, die eine entwicklungspolitische Stiftung gründen.

Die Prüfer fordern das Ministerium auf, „die Stellen der beiden Geschäftsführer mit dem Haushaltsvermerk ‚ku mit Ausscheiden der Stelleninhaber‘ zu versehen und die in Rede stehenden Arbeitsplätze (Stellen) sachgerecht zu bewerten“. „ku“ steht für: künftig umzuwandeln.

Laut Prüfbericht stimmt die Personalpolitik bei Engagement Global grundsätzlich nicht. Die Prüfer monieren auch das Gehalt von Bernd Krupp, dem anderen Geschäftsführer, er bekommt B3, das macht für ihn im Geschäftsjahr 2012 gut 87.100 Euro. Zudem umgehe die gGmbH den „verbindlichen Stellenplan“. Sie finanziere befristet Beschäftigte aus dem Aushilfskräftetitel. Sie beschäftige Leiharbeitnehmer, was „nicht wirtschaftlich“ sei. Sie missachte Bestimmungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes. Sie stelle Bewerber ein, die das von ihr selbst „geforderte Anforderungsprofil nicht erfüllten“, der Grundsatz der „Bestenauslese“ sei „verletzt“ .

Der Bericht des Bundesrechnungshofs ist vom März 2013. Öffentlich werden sollte er derzeit eigentlich nicht. Der Bundesrechnungshof lehnte ein Auskunftsersuchen der taz ab, es handele sich um eine „laufende Prüfung“, noch seien Fragen mit der „geprüften Stelle“ zu klären.

Niebels Personal

■ Es ist üblich, dass Minister ihre Freunde mit Posten versorgen, aber bei Dirk Niebel haben es die Parteifreunde besonders einfach.

■ Einstellung: Das ARD-Magazin „Monitor“ hat im Mai 2013 auf einer Liste des Ministeriums nachgezählt. Demnach hat FDP-Minister Niebel seit 2009 mehr als 40 FDP-Mitglieder und -Mitarbeiter eingestellt. Dabei ging es nicht nur um Schlüsselpositionen im BMZ. Allein 25 FDP-Leute wurden als Referenten eingestellt, also im Mittelbau. Hinzu kamen mehrere Referatsleiter sowie Besetzungen in Unternehmen, die dem Ministerium angegliedert sind.

■ Verteidigung: Der Minister erklärte, alle Einstellungen erfolgten streng nach Eignung, Befähigung und Leistung. Der Personalrat beschwerte sich mehrfach über die Besetzungspraxis.

■ Abflug: Personelles Hauptproblem ist FDP-Mitglied Tom Pätz. Niebel berief ihn in der Vorstand der GIZ, verbeamtete Pätz aber vorher schon im Ministerium. Pätz sorgte auch für Aufruhr, weil er bei Flügen erste Klasse buchte.

■ Betriebsklima: Im Ministerium kursieren „Niebel-Tagebücher“, Titel: „Gelbfieber“ – als Anspielung darauf, dass Niebel FDP-Parteifreunde auf Posten gehoben hat. Der Minister hat die Staatsanwaltschaft gerufen, um die Urheber der Texte zu ermitteln. (hg)

Nachfrage bei der „geprüften Stelle“ – Büssemakers Gesellschaft verweist „rein formal“ an das Ministerium. Niebels Pressesprecher erklärt: „Ich bitte um Verständnis, dass wir zu einzelnen Personalfragen grundsätzlich keine Stellung nehmen.“

Dem Bundesrechnungshof gegenüber hat Niebels Ministerium bereits erklärt, die Gehälter der Geschäftsführung für gerechtfertigt zu halten, eine nähere Begründung lieferte es aber nicht. Engagement Global hat kurz nachdem sich die Rechnungsprüfer im Juni 2012 angekündigt haben, eine neue Leitung fürs Personal eingestellt.

Richtigstellung

Wir haben geschrieben „[…] Büssemaker, deren gGmbH - 145 Mitarbeiter, ein 16,7-Millionen-Euro-Budget - Schulen hilft, die eine Partnerschaft aufbauen, oder Unternehmen, die eine entwicklungspolitische Stiftung gründen.“ Richtig hätte es heißen müssen: „[…] Büssemaker, deren gGmbH - 145 Stellen, 16,7 Millionen Euro institutionelle Förderung - Schulen hilft, die eine Partnerschaft aufbauen, oder Unternehmen, die eine entwicklungspolitische Stiftung gründen.“ Wir haben weiter falsch geschrieben: „Engagement Global hat sich, kurz nachdem die Rechnungsprüfer da waren, eine neue Leitung fürs Personal gesucht.“ Tatsächlich hat Engagement Global, kurz nachdem sich die Rechnungsprüfer im Juni 2012 angekündigt haben, eine neue Leitung für das Personal eingestellt.Die Redaktion