: Ein Gefühl von Wärme
PORTRÄT Auch ein gemalter Blumenstrauß hilft manchmal weiter: Für Zaza Tuschmalischvili öffnete sich damit mehr als eine Tür in Berlin – und längst fühlt sich der aus Georgien gekommene Künstler hier fest verwurzelt
VON BIRGIT KOSS
Bereits als Jugendlicher ist Zaza Tuschmalischvili sich sicher: Er will Maler werden. In Georgien hat man den zwanzigjährigen Kunststudenten „Tusch mal“ genannt – nicht ahnend, dass dieser Spitzname bereits die Ausübung seines Berufs in Deutschland vorwegnimmt.
Mehr als zwanzig Jahre lebt der 1960 in Georgien geborene Künstler nun schon in Berlin. Hier hat er Hunderte von Bildern gemalt, die mittlerweile in Europa, Japan und Amerika bei Kunstsammlern an den Wänden hängen. Dokumentiert sind sie in dem gerade erschienenen Katalog „Zaza Tuschmalischvili Einsichten Georgien –Berlin / Insights Georgia – Berlin“, herausgegeben von seiner Galeristin Annilie Hillmer. Das Buch erzählt auch die Geschichte zweier Menschen, die sich 1994 in Berlin begegnen. Zaza Tuschmalischvili, der zierliche Kaukasier mit den dunklen Augen, und Annilie Hillmer, die große blonde Deutsche. Fasziniert von der kulturellen Andersartigkeit, beflügeln sie sich gegenseitig und eröffnen 2007 in Charlottenburg die Georgia Berlin Galerie.
Mit 20 Bildern im Gepäck
1991 – mit Beginn der Unabhängigkeit Georgiens – kommt Zaza Tuschmalischvili erstmals mit 200 US-Dollar und 20 Bildern im Gepäck am Berliner Hauptbahnhof an. Unter den Linden, neben den Bücherständen vor der Humboldt-Universität, stellt der Künstler seine Bilder aus und findet sofort Käufer. 1994 entdeckt Annilie Hillmer sein Bild „Rendezvous“. Es zeigt einen jungen Mann, der einer Frau einen Blumenstrauß überreicht. Das Bild ist jedoch schon verkauft. Der Maler lädt sie deshalb ein, in seinem Atelier weitere Arbeiten anzusehen. Die Magie des Bildes „Rendezvous“ führt zu einer bis heute fortdauernden Beziehung zwischen dem Künstler und der Psychologin und Autorin, die seine Muse und Galeristin wird.
Kurz nachdem sie sich kennengelernt haben, bietet Annilie Hillmer Zaza Tuschmalischvili an, in ihrer 200 Quadratmeter großen Wohnung zu arbeiten. Im Dezember 1994 eröffnen die beiden in der Charlottenburger Altbauwohnung ihren ersten Kunstsalon. Die hohen Wände sind mit Zaza Tuschmalischvilis Bildern bedeckt. Viele, die sich zur Vernissage einfinden, möchten eines dieser Kunstwerke erwerben. Aber Annilie Hillmer, der etliche dieser Bilder gewidmet sind, erklärt diese für unverkäuflich. Der Künstler hält sich still im Hintergrund.
Schon als Kind ist er lieber allein, rauft und spielt nicht mit den anderen. Am liebsten beobachtet er seine Umwelt, liebt die Tiere wie den Hofhund Buba. Seine Großmutter Tamara, bei der er in dem kleinen Dorf Skra bei Gori aufwächst, ist der wichtigste Mensch für ihn. Nachdem er als Siebenjähriger miterlebt, wie ein Dorfhund überfahren wird, liegt er zwei Monate krank im Bett, spricht nicht, will nicht essen. Das Trauma überwindet er, indem er anfängt zu malen. Inspiriert wird er von einem Buch mit Tierillustrationen, das unter anderem Hunde und Wölfe zeigt. Später werden diese immer wieder in seinen Bildern auftauchen.
Als Neunjähriger hat Zaza einen Leistenbruch und teilt im Krankenhaus das Zimmer mit dem Maler und Kunstlehrer Nugzari Zhochuaschvili. Dieser erkennt sein Talent und bestärkt den Jungen, nachmittags die kostenfreie Kunstschule in Gori zu besuchen. Mit 15 wird er an der Kunsttechnischen Schule im 30 Kilometer entfernten Zchinvali aufgenommen. Seine Großmutter zahlt die Miete. Beim anschließenden Militärdienst im damaligen Leningrad wird er beauftragt, politische Plakate und Schilder zu malen – ähnlich wie sein berühmtes Vorbild Niko Pirosmani.
Mit 22 erhält der Künstler ein Stipendium für die Akademie der Künste in Tiflis, wo er sich auf Fresko-Restaurierung spezialisiert. Als Diplomarbeit fertigt er eine Kopie des Erzengels Gabriel an, eine Wandmalerei aus dem 11. Jahrhundert in der Kirche Ateni Sioni. Aus dieser Zeit bleibt Zaza nicht nur das Arbeiten mit Eitempera erhalten, wie dies für mittelalterlichen Wandmalereien üblich war, sondern auch die Wahl seiner Motive – Himmel, beziehungsweise das Paradies, Erzengel und Cherubim.
Diese Motive tauchen auch in seinen in Berlin entstandenen Bildern immer wieder auf, werden ergänzt durch Themen wie Liebe, Kindheit, Spiel. Dabei stellt er sich immer neuen Herausforderungen, neuen Maltechniken und Experimenten. Die Bilder, die in seinem Inneren entstehen, scheint er mit einer scheinbaren Schwerelosigkeit auf die Leinwand zu bannen. Man findet sowohl Anklänge an die Surrealisten und Kubisten als auch an die sogenannten Naiven. Zaza Tuschmalischvilis Bilder vermitteln immer ein Gefühl von Wärme, Licht und Helligkeit und erinnern so an „sein Georgien“.
Heute antwortet er auf die Frage nach seiner Heimat spontan: Berlin. Er liebe diese Stadt und fühle sich hier verwurzelt. Am liebsten sitzt er am großen Küchentisch mit vielen georgischen und deutschen Freunden, gutem georgischen Essen und Wein. Dann fliegen die Trinksprüche hin und her, „Auf die Frauen, die Liebe, die Schönheit, langes Leben, Erfolg“ – „Gaumatschos!“ (Zum Wohl!).
■ Aktuelle Arbeiten von Zaza Tuschmalischvili sind bis 15. Januar in einer Ausstellung in der Georgia Berlin Galerie, Bleibtreustr. 17, zu sehen