: Der lange Weg zur grünen Uni
INITIATIVE Als erste Uni Deutschlands hat die Humboldt-Universität ein Nachhaltigkeitsbüro – gegründet und geführt von Studierenden. Ob das Konzept auf lange Sicht Erfolg hat, hängt auch davon ab, ob die Uni dafür Geld in die Hand nehmen will
GEORG LIEBIG, NACHHALTIGKEITSBÜRO
VON KLAAS-WILHELM BRANDENBURG
Es ist eine noble Adresse, in der Georg Liebig sein Büro hat: Im „Quartier Stadtmitte“, nahe dem S-Bahnhof Friedrichstraße, wird man von einer lächelnden Empfangsdame begrüßt. Im verspiegelten Aufzug geht es in die vierte Etage. Dort sitzt Liebig in einem fast leeren Büro – weiße Wände, ein paar leere Regale, ein Tisch in der Mitte, auf dem ein Rechner steht, und ein einsamer Blumentopf an der großen Fensterfront. Wie um das sterile Ambiente zu brechen, klebt draußen ein gelbes Post-it an der Tür, auf das jemand mit Kugelschreiber „Nachhaltigkeitsbüro“ geschrieben hat. Alles wirkt noch recht improvisiert.
Genau dieser Raum soll einmal die Zentrale werden, von der aus die gesamte Humboldt-Universität (HU) nachhaltiger gemacht wird – jedenfalls, wenn es nach Georg Liebig geht. Der 26-jährige Masterstudent, der im grünen Schlabbershirt und barfuß im Büro sitzt, will die HU, an der er seit sechs Semestern studiert, grüner machen: mit dem deutschlandweit ersten Nachhaltigkeitsbüro an einer Universität.
Auf die Idee gekommen ist er durch eine Konferenz vor einem Jahr, auf der sich Nachhaltigkeitsinitiativen aus ganz Deutschland trafen. Mit dabei war das „Green Office“ der Universität Maastricht in den Niederlanden, auch eine Art Nachhaltigkeitsbüro, das schon seit vier Jahren daran arbeitet, die Uni nachhaltiger auszurichten. Dieses Projekt ließ Liebig nach der Konferenz nicht mehr los: „Drei bis vier Tage hat es in meinem Kopf gearbeitet und dann Klick gemacht. Ich dachte: Bäm – so was wie in Maastricht sollten wir an der HU auch machen!“ Also machte er sich an die Arbeit, besuchte andere Konferenzen, auf denen über Nachhaltigkeit geredet wird. „Ich habe dann ziemlich schnell gemerkt, dass einer alleine das nicht durchprügeln kann.“
Also holte er sich Unterstützung: Er schrieb alle Studierenden-Initiativen der HU an, die irgendwie mit Nachhaltigkeit zu tun haben. Anfang Juli 2013 gab es ein erstes Treffen, 15 Leute waren dabei – die offizielle Gründung des Nachhaltigkeitsbüros. Danach trafen sie sich alle zwei Wochen, erarbeiteten zusammen ein Konzeptpapier und fragten sich dabei immer wieder: Was ist eigentlich unser Ziel? Und ist das Nachhaltigkeitsbüro wirklich das richtige Instrument, um die Uni in allen Bereichen grün zu machen? Im November war das Papier schließlich fertig, die Gruppe ging an die Öffentlichkeit und machte sich innerhalb der HU bekannt.
Heute arbeiten insgesamt 25 Leute basisdemokratisch organisiert an der Vision einer grünen HU. „So richtig aktiv sind aber nur um die zehn Leute“, räumt Georg Liebig ein. Die allermeisten Mitglieder sind Studierende, sie kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen, von Agrarwissenschaften über Ethnologie und Geografie bis zu Mathematik oder BWL. „Es ist eine bunte Mischung, und das ist mir auch ganz wichtig, denn das Nachhaltigkeitsbüro soll wirklich in der ganzen Uni agieren“, so Liebig. „Und es zeigt, dass das Thema nicht nur etwas für Klischee-Ökos ist.“
Die Mission des Nachhaltigkeitsbüros ist eigentlich ganz klar: „Eine Universität der Nachhaltigkeit, die sich in allen Bereichen um Nachhaltigkeit kümmert“, so Liebig. In Lehre, Forschung, Verwaltung und Kommunikation soll die Uni grüner werden – und dafür gibt es zum Teil schon ganz konkrete Ideen: „In der Lehre würden wir gerne ein Studium Oecologicum einführen“, so Liebig. Nach dem Vorbild des Studium Generale, das im Zuge der Bologna-Reformen an den meisten Universitäten abgeschafft wurde, sollen im Studium Oecologicum Studierende aus allen Fachrichtungen die Möglichkeit bekommen, in speziellen Lehrveranstaltungen etwas über Nachhaltigkeit zu lernen. Dafür soll es dann auch die beliebten und benötigten Leistungspunkte geben, ohne die Studierende ihren Bachelor- oder Masterabschluss nicht machen können. Denn: „Das ist so ein wichtiges Thema, das muss einfach in den Alltag mit rein. Das kann nicht etwas sein, was immer nur so zusätzlich abfällt.“ Vorbild ist die Universität Tübingen, wo das Studium Oecologicum bereits seit fünf Jahren Standard ist.
Außerdem will das Nachhaltigkeitsbüro dafür sorgen, dass Forschung über Nachhaltigkeit und insbesondere nachhaltiges Arbeiten gefördert wird. Für Studierende, die zu Nachhaltigkeitsthemen forschen wollen, soll es leichter werden, das umzusetzen – durch Beratung und „Vernetzung mit den richtigen Leuten“, wie Liebig es nennt. In der Lehre soll es jedes Semester eine Lehrveranstaltung geben, die sich ganz konkret damit beschäftigt, wie die HU nachhaltiger werden kann, und wie jeder Student und jede Studentin mehr oder weniger bewusst etwas dafür tun kann. Auch die Verwaltung soll davon nicht verschont bleiben: Schon jetzt gebe es einen regen Austausch mit dem Energiebeauftragten der HU, zudem soll in Zusammenarbeit mit der technischen Abteilung der Uni geprüft werden, wie der Betrieb ressourcensparender und effizienter ablaufen kann. Und natürlich soll auch der Campus selbst grüner werden: im wahrsten Sinne des Wortes durch mehr Bäume und Grünflächen.
Nicht alles selber machen
Nicht zuletzt geht es dem Nachhaltigkeitsbüro um die Vernetzung bereits bestehender Initiativen an der HU. „Es gibt schon viele Gruppen, die aber Probleme haben, zu arbeiten. Zum Beispiel weil es zu wenig Studis gibt, die Bock haben, was zu reißen“, meint Liebig. Darum solle das Nachhaltigkeitsbüro Arbeitswillige und bereits Arbeitende besser zusammenbringen. Wie das konkret geschehen soll, lässt Liebig allerdings offen. Und schon jetzt zeigt er auch klar die Grenzen seiner Arbeit auf: „Im Endeffekt ist das Büro dazu da, zu vernetzen, neue Projekte anzustoßen, Verbindungen aufzubauen. Es ist nicht dazu da, alle Projekte selbst durchzuführen.“
Aber selbst das Vernetzen und Anstoßen gestaltet sich manchmal schwierig. So zum Beispiel das Ziel, den gesamten Campus grüner zu gestalten und Ressourcen zu sparen. Denn bis heute gibt es für die HU kein zusammenhängendes Dokument, in dem steht, welche universitäre Einrichtung wie viel verbraucht und wo wie viel eingespart werden könnte. „Die HU hat kein Geld, jemanden zu bezahlen, der die Zahlen sammelt und auswertet, die es teilweise schon gibt. Deshalb kann sie auch nichts einsparen“, beschreibt Liebig das Problem. „Da beißt sich die Katze in den Schwanz.“ Trotzdem sei es in naher Zukunft nicht geplant, so ein Dokument zu erstellen, „da der Aufwand nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen“ stehe, wie HU-Pressesprecherin Susanne Cholodnicki sagt.
Dabei sei das, woran es in Deutschland hapert, in anderen Ländern längst selbstverständlich. „Ich war vor kurzem in den USA, in Princeton und an der University of Florida. Die Unis dort haben schon längst richtige Reduktionsziele festgelegt und sind auch hinterher, diese Ziele einzuhalten“, berichtet Liebig. Allerdings hätten die Universitäten dort auch andere finanzielle Mittel. Aber man muss den Blick noch nicht einmal über den großen Teich werfen: Auch die Uni im niederländischen Maastricht hat feste Reduktionsziele. „Unis in anderen Ländern sind da ein bisschen progressiver“, findet Liebig. „Ich schätze die deutsche Uni-Landschaft als sehr konservativ in Sachen Veränderungsprozessen ein. Bei uns dauert es einfach ultralange, bis was passiert.“
Auch deshalb hat sich Liebig für den Aufbau des Nachhaltigkeitsbüros professionelle Unterstützung aus dem Ausland geholt. Ragnar Martens gründete vor vier Jahren das weltweit erste Green Office an der Uni Maastricht. Heute hilft der 24-Jährige an der HU mit, das Nachhaltigkeitsbüro aufzubauen. „Es gibt andere Initiativen in Deutschland, die Ähnliches vorhaben, aber noch keine ist so weit wie hier“, sagt Martens.
Er muss es wissen: Neben der HU betreut er noch weitere Universitäten in ganz Europa. Nach der Gründung des Green Office in Maastricht wollte er seine Erfahrungen weitergeben und gründete dafür die Organisation Rootability. Sieben Green Offices haben Martens und Rootability schon etabliert, vor allem in Großbritannien und den Niederlanden. Die nächsten zwei, die kurz vor dem Start stehen, sind im schwedischen Lund – und an der HU. Obwohl Martens einschränkt: „In Maastricht hat der gesamte Aufbau des Green Office damals etwa ein halbes Jahr gedauert.“ Eine schnelle Angelegenheit ist der Start eines Nachhaltigkeitsbüros also nicht.
Das musste auch Georg Liebig merken. Allein schon ein Büro zu bekommen war eher Glück als Planung. Erst seit etwa vier Wochen haben sie ihren Raum, eigentlich gehört er zu einem interdisziplinären Forschungszentrum der HU, dem IRI THESys, das – finanziert durch Mittel aus der Exzellenzinitiative – Forschung zum Thema Nachhaltigkeit betreibt. „Sonst sieht es finanziell eher mau aus“, so Liebig. „Das mit dem Raum hat geklappt, weil einfach der Wille da war und wir für die gleiche Sache arbeiten.“ Eine generelle Finanzierung durch das IRI THESys wird nicht möglich sein.
Woher soll also das Geld kommen, das die HU nachhaltiger macht? „Das muss schon von ganz oben, also von der Unileitung kommen, weil sich unsere Arbeit schließlich auf die ganze Uni auswirken soll“, findet Liebig. Vorgestellt haben er und seine Mitstreiter sich beim Präsidium der HU aber noch nicht: „Das war bisher einfach nicht der richtige Zeitpunkt.“ Denn seit kurzem ist die HU Exzellenz-Universität, was nicht nur Geld einbringt, sondern zunächst einmal viel Geld kostet. Nebenbei versucht die Uni gerade, eine umstrittene Fakultätsreform zu stemmen. Dementsprechend zurückhaltend ist man bei der Frage nach einer Unterstützung des Nachhaltigkeitsbüros: „Das ist keine Frage der Bereitschaft, sondern der Möglichkeiten“, sagt Sprecherin Susanne Cholodnicki. „Um tiefgreifendere Maßnahmen, etwa an der Bausubstanz, umsetzen zu können, benötigen wir selbst eine wesentlich bessere finanzielle Ausstattung.“
Grün ist im Vorteil
Von der HU ist also vorerst kein Geld zu erwarten. Besteht so nicht die Gefahr, dass sie später die Lorbeeren erntet, die das Nachhaltigkeitsbüro holt, ohne dafür irgendetwas getan zu haben? „Es ist vollkommen richtig, wenn sie sich mit uns schmücken, weil es in Zukunft einfach ein Wettbewerbsvorteil sein wird, eine grüne Uni zu sein“, meint Georg Liebig. „Aber das wird nur erfolgreich sein, wenn wir gute Arbeit machen können. Und das funktioniert nur, wenn die Uni uns finanziert. Sonst bauen wir hier was auf, was das Zeitliche schnell wieder segnet.“
Aber auch ohne Geld von oben hat das Nachhaltigkeitsbüro schon einiges bewirkt: Zwei Semester lang wurde eine Lehrveranstaltung organisiert, Liebig selbst hat sie gehalten. Und im Oktober steht die nächste große Herausforderung an: Dann organisieren die Berliner ein Treffen der Green Offices aus ganz Europa, die European-Green-Office-Konferenz. Dafür bekommen sie auch Unterstützung von der HU. Im Kleinen ist die Uni also doch bereit, Geld zu geben. Und nach der Konferenz dann vielleicht ja auch im Großen.
Die Webseite des Nachhaltigkeitsbüros: nachhaltigkeitsbuero.hu-berlin.de