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Archiv-Artikel

„Wir sind nicht alle gleich“

DIE AKTIVISTIN Mai Shutta, 27, aus dem Sudan, gibt Seminare für Geflüchtete zur Konfliktbewältigung

Mai Shutta, 27, unterstützt die Proteste, seit die Refugees den Oranienplatz erreicht haben. Sie hilft, Kampagnenstrukturen aufzubauen und gibt Erfahrungen aus ihrer politischen Arbeit im Sudan weiter: „Ich bin Aktivistin, das ist mir ins Blut übergegangen, sagt sie. „Ich kann nicht stillsitzen, bloß weil mein Aufenthalt sicher ist.“

Die Computeringenieurin kommt aus dem Nordsudan. Dort arbeitete sie als Trainerin für gewaltfreie Kommunikation, engagierte sich für Menschenrechte und saß deshalb mehrfach im Gefängnis. Nach ihrer letzten Freilassung musste sie das Land verlassen. Seit zwei Jahren lebt sie in Deutschland und bietet auch hier Seminare für Geflüchtete an, damit diese mit Konflikten unter den schwierigen Bedingungen in den Unterkünften umgehen können.

Mai Shutta wirkt wie eine Frau, die die Grenzen anderer respektiert, aber auch ihre eigenen kennt. „Wir sind keine Kriminellen“, sagt sie, „und wir sind auch nicht alle gleich. Viele sind gebildet. Die Politiker sind zu weit weg von den Refugees, um das zu verstehen.“ Die Erfahrungen des Protests haben die Geflüchteten verändert, sagt Shutta. Niemand kannte anfangs das Dublin-Abkommen, das die Zuständigkeit für ein Asylverfahren auf den EU-Staat festlegt, über Geflüchtete einreisen. „Inzwischen wissen die Geflüchteten sehr genau, was mit ihnen passiert und was ihre Ziele sind“, meint Shutta.

Als die Gerhart-Hauptmann-Schule im Sommer von der Polizei belagert wurde, verbrachte Mai Shutta die neun Tage mit den anderen auf dem Dach: „Als es hieß, die Schule wird geräumt, sind die Leute fast verrückt geworden“, erzählt sie.

Zum Oranienplatzabkommen sagt sie: „Die Politik hat die Hoffnungen einiger Refugees ausgenutzt und sie verkauft.“ Viele, die jetzt obdachlos sind, seien krank und traumatisiert. „Der Druck ihrer Heimatländer, der Druck, den sie hier erleben, das alles hinterlässt Schäden.“ Doch der Versuch, die Geflüchteten zu vertreiben, ziele ins Leere, glaubt Shutta: „Sie räumen den O-Platz und die Schule, weil sie denken, Geflüchtete kosten nur Geld und machen Probleme. Aber sie werden keine Ruhe finden, wir existieren ja weiter.“

In der Schule arbeitet Shutta mit anderen Bewohner*innen, ungeachtet der Pläne des Bezirks, der sie raus haben will, an der Idee eines unabhängigen Refugee Center, das Beratungsangebote und einen Schutzraum für geflüchtete Frauen bieten, aber auch ein Ort zum Austausch sein soll. Für Shutta selbst ist Deutschland jedoch nur eine Zwischenstation. Sobald sie im Sudan sicher leben kann, will sie zurückkehren. HILKE RUSCH