: Neonazis gehen offline
EXTREMISMUS Die zentrale Internetseite der rechten Szene Berlins ist nicht mehr im Netz. Warum, bleibt unklar. Der mutmaßliche Betreiber, NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke, gibt sich ahnungslos
Die Internetseite des „Nationalen Widerstands Berlin“ ist seit Freitag nicht mehr aufrufbar. Das freute am Montag Vertreter demokratischer Parteien. Doch warum die Seite vom Netz genommen wurde, blieb unklar.
„Wir schließen einen Hackerangriff nicht aus, weil es den auch auf andere rechte Seiten gab“, sagte Isabelle Kalbitzer, Sprecherin des Berliner Verfassungsschutzes. Silke Becker von der Staatsanwaltschaft dementierte, dass die Seite auf Veranlassung ihrer Behörde verschwunden sei: „Die Ermittlungen gegen die Betreiber dauern an. Das Rechtshilfeersuchen in die USA, wo die Seite gehostet ist, ist ebenfalls noch nicht erledigt.“ Sebastian Wehrhahn von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus dämpfte die Hoffnung, dass die Seite auf Dauer aus dem Netz getilgt sein könnte. „Erst im Mai wurde die Registrierung um ein weiteres Jahr verlängert.“
Die Internetpräsenz gilt als die zentrale Website der rechten Szene Berlins. Sie war bislang mit einer Chronik-Seite verlinkt, auf der politische Gegner steckbriefartig, zum Teil mit Foto und Adresse, präsentiert und unterschwellig zu Gewalt gegen sie aufgerufen wurde.
Experten schreiben NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke die Urheberschaft für die Seiten zu. Der dementiert allerdings. Die Staatsanwaltschaft ließ im Zuge der Ermittlungen gegen die Macher der Seite im März Schmidtkes Wohnung und seinen Laden „Hexogen“ sowie die Wohnungen zweier weiterer Neonazis durchsuchen. Schmidtke gab sich am Montag ahnungslos, warum die Seite offline sei.
Neue Erkenntnisse könnte es am Mittwoch geben: Dann will die Linkspartei das Thema im Verfassungsschutzausschuss ansprechen. Nachdem das rechtsextreme Webportal im Februar im Parlament debattiert wurde, hatte es bereits an Inhalt verloren. Die Chronik-Seite, die noch im Netz ist, wurde Ende März das letzte Mal aktualisiert. Berichte von naziinternen Veranstaltungen oder Gerichtsverhandlungen gegen Neonazi-Gegner, wie zuvor wiederholt veröffentlicht, fehlen seitdem völlig.
Vertreter der Zivilgesellschaft hatten im Innenausschuss vorgeschlagen, den Machern der Seiten genau dadurch auf die Schliche zu kommen: Es sei doch offensichtlich, wer bei Gericht und bei NPD-Infotischen anwesend sei und damit als Verfasser von Beiträgen überhaupt nur infrage komme. Die Grünen-Abgeordnete Clara Herrmann sagte dazu: „Es freut mich, dass die Befassung im Parlament Wirkung gezeigt hat.“ MARINA MAI