: Krankenkasse warnt: Bologna macht krank
GESUNDHEITSREPORT Immer mehr Studenten werden psychisch krank. Zu diesem Ergebnis kommt eine Gesundheitsstudie der Techniker Krankenkasse. Daran sei auch Bologna schuld
VON ALEXANDER BUDWEG
BERLIN taz | Immer mehr Studenten und junge Erwerbstätige leiden an psychischen Störungen. Das ist das Ergebnis des sogenannten „Gesundheitsreportes 2011“, den die Techniker Krankenkasse (TK) am Donnerstag in Berlin vorgestellt hat. Demnach wurde im Jahr 2010 bei fast jeder dritten jungen Frau im Alter von 20 bis 34 Jahren eine psychische Störung festgestellt. Bei ihren männlichen Altersgenossen erhielten immerhin rund 13 Prozent eine solche Diagnose.
In ihrem Report verzeichnet die Krankenkasse gegenüber dem Jahr 2006 einen Anstieg von 44 Prozent bei den mit Antidepressiva behandelten Studierenden. Mittlerweile, so die Studie, bekommen 5 Prozent aller Studentinnen und 3 Prozent ihrer männlichen Kommilitonen Medikamente gegen Depressionen. Dabei steigt die psychische Belastung der Studierenden mit zunehmendem Alter enorm an.
Für den Gesundheitsbericht hat die Krankenkasse nach eigenen Angaben die Arzneimittel- und Diagnosedaten von 135.000 eigenständig bei der TK versicherten Studenten und weit über einer halben Million junger Erwerbstätiger ausgewertet. Der Vorstandsvorsitzende der Krankenkasse, Norbert Klusen, sagte: „Würde die Anzahl der Antidepressiva-Verordnungen weiter in diesem Ausmaß steigen, dann bekämen spätestens im Jahr 2046 alle Vorlesungsteilnehmer ein Antidepressiva-Rezept.“ Der Anstieg sei teilweise damit erklärbar, dass mehr psychische Erkrankungen diagnostiziert werden: „Viele Beschwerden, die vor 10, 20 Jahren noch unter anderem Label attestiert wurden, werden heute als psychische Diagnose dokumentiert. Auch die Patienten sind offenbar eher bereit, eine solche Diagnose zu akzeptieren“, so Klusen. Er legt nahe, dass die sogenannte Bologna-Reform zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulsystems für den Anstieg psychischer Erkrankungen mitverantwortlich ist. „Viele Studenten sind dem wachsenden Druck durch die Umstellung auf Bachelor und Master nicht gewachsen.“ Insbesondere Studierende ab dem 28. Lebensjahr seien extrem belastet: Wenn sie ihr Studium nicht in der Regelzeit beenden können, fällt das Bafög weg und sie müssen sich durch Jobs finanzieren. Diese Doppelbelastung mache sich in steigenden Krankheitszahlen bemerkbar.