: Die kleinsten Männer haben die längsten Pferde
DER MIT DER MASKE Das Schweizer Rockrumpelstilzchen Bonaparte gibt sich auch auf seinem neuen Album „My Horse likes you“ größenwahnsinnig
BONAPARTE-CHEF TOBIAS JUNDT
VON JENNI ZYLKA
Dass sich erwachsene Menschen Hasenohrenmützen aufsetzen, sich wie Petey the Pit, der Hund aus „Die kleinen Strolche“, schminken, in Friedrich-der-Große-Papiermasken herumspringen und das Gorillakostüm schwitzend bis auf den Stringtanga runterstrippen, spricht alles zumindest für eine liberale Weltsicht. Mit so einer Bühnenshow hat der 31-jährige Schweizer Tobias Jundt sie alle gekriegt, als er vor vier Jahren von Bern nach Berlin rübermachte und seine Band Bonaparte neu erfand. Das Debütalbum „Too much“, mit dem gleichnamigen fantastischen Hit über die Sinnlosigkeit von Intellektualität auf Partys, wurde zum Lieblingsspielzeug aller von Indie, Elektroclash- und Rock gelangweilten urbanen Pophörer.
Es war allerdings vor allem den energiegeladenen Konzerten geschuldet, dass Bonaparte fast schneller über kleine Läden hinauswucherte, als man größere Hallen hinterher buchen konnte. Aber auch der Erfolg hat die Band weder zu sehr ins Rampenlicht gezerrt noch sie irgendwie abgenutzt: Die Neugier auf Bonapartes zweites Album blieb anhaltend groß. Nun ist es da. „My Horse Likes You“ ist wie der Vorgänger auf dem kleinen handverlesenen Berliner Label Staatsakt erschienen.
Um sich an Bonaparte heranzutasten, könnte man zuerst einen Videoclip angucken, in dem Tobias Jundt das Titelstück fast unplugged spielt, auf einem Heuwagen sitzend, umgeben von Misthaufen, nur begleitet von einer Schallplatte mit einem knarzenden Elektrobeat.
Fütter mein amüsantes Ego
Dieser Beat klingt auf dem Album genauso schmutzig, furzend, sogar nicht mal richtig timingfest. Dazu kommt die allertrockenste B-52s-Rhythmusgitarre, und das ist einer der Gründe, warum sich „My Horse Likes You“ wiederum so wohltuend von der Konkurrenz unterscheidet und sie ein paar Takte mehr Richtung Punk schiebt: Durch jeden Ton schreit das amüsant schillernde Musikerego des kleinen Bandleaders, des selbsternannten „Emperors“. „Für mich ist Songwriting kein Gruppenprozess“, sagt Jundt.
„Gerade beim Fundament, also bei Schlagzeug und Bass, halte ich meine Peitsche fest umschlungen, bis das erstrebte Gerüst steht.“ Beim Titelstück hat er dazu in bewährter Manier größenwahn- und hintersinnig, hedonistisch und humorvoll Pubertätsallmachtsfantasien getextet: „The secret language / between my thighs / is out of control / My horse likes you / My horse wants you“. Die kleinsten Männer haben eben immer die längsten Pferde.
Auch in anderen Songs wie „L’Etat C’est Moi“ macht er sich, diesmal nicht mal mehr versteckt, über die Megalomanie seines Alter Ego lustig: „ I am the egg that layed the bird! / I can make babies with myself!“. Aber ganz allein geht das natürlich denn doch noch nicht, und so mixen in „Orangutan“ die umtriebigen, solche Größen wie Thom Yorke und Fettes Brot gewöhnten Männer des Berliner DJ-Duos Modeselektor mit, während Jundt düster an das Dschungelbuch erinnert: „I wanna be like you ou ou“.
In „Boycott Everything“, das nach demselben einfachen, aber effektiven Rezept wie die Songs „Too much“ und „Anti Anti“ gestrickt ist – prominenter Elektrobeat, Trockengitarre, feingeistig-plakatives Phrasendreschen –, klöppelt Jundt die Welt fröhlich in Einzeilern herunter: „Switzerland, made of cheese, Canada, full of trees, Japan, made of cars, the middle east, full of scars, USA, made of corn, all the rest, made of porn“. Klar: „Words are my big obsession“, quäkt Jundt in „Rave Rave Rave“, „when you’re yelling, I am spelling“, während im Hintergrund ein Vaudeville-Barpiano kurz mal eine ganz andere Stimmung beschwört.
Altmodische Grooves
„My Horse Likes You“ ist eine absolut unterhaltsame Platte geworden, der man auch einen unverständlicheren Song verzeiht wie „Adabmal“, das umgekehrt „Lambada“ heißt, folgerichtig auf den Lambada-Grundakkorden beruht und vor sich hin mäandert, ohne die Energie fast sämtlicher anderer Stücke zu entwickeln. Das Album lebt noch viel mehr als „Too much“ von jenem Energielevel, dem immer kurz vor dem Koppeln stehenden hohen Jundt-Sprechgesang und dem ansprechend-altmodischen Groovedesign, das an die Abgeh-Zeit der Beastie Boys erinnert.
„Wir kochen ja alle mit den gleichen zwölfeinhalb Tönen“, so Jundt, „und können uns am Ende nur durch Herausschälen von Charakter und Haltung und dem Mut, diese walten zu lassen, wirklich unterscheiden.“
Haltung und Charakter sind in Bonapartes Fall einerseits der Spaß am Zirkushaften. Andererseits ist es Lust for Live: der starke Hang zur Verkleidung aller an den Konzerten Mitwirkenden, angefangen von der autarken Tanztruppe über die Musiker bis hin zu Jundt selbst. Auf einem Schnappschuss, den der Ramones- und B-52s-Plattencover-Fotograf Georges DuBose beim ersten Bonaparte-Konzert 2006 in der Berliner „Bar25“ gemacht hat, erkennt man tatsächlich noch Jundts ungeschminktes Jungsgesicht. Inzwischen wird die Ohrenmütze kaum noch abgesetzt: „Anfangs war es viel mehr eine Art Schutz“, erklärt Jundt. „Man schlüpft in sein Superhero-Gewand, und danach ist alles möglich.“
Jundt spielt mit den Identitäten und besetzt damit den Gegenpol zur momentan überall behaupteten Authentizität, die natürlich in Wirklichkeit genauso maskenhaft ist. „Ich glaube, mir persönlich halfen die Kostüme, an einen Punkt zu kommen, an dem mir einfach alles egal ist und ich mich voll und ganz dem hingeben kann, um was es mir geht: Musik, Energie, die Konzertmomente. Selber niemand sein zu müssen, sondern nur eine abstrakte Figur, die nicht spricht und dafür ihr Instrument bearbeitet und dabei sehr laut denkt.“ Sehr laut, in der Tat. Aber das hat anständigen Shows ja noch nie geschadet.
■ Bonaparte „My Horse Likes You“ (Staatsakt/Indigo)