: Unzureichendes Tempolimit beim Zocken
FINANZKRISE Die von der Regierung geplanten Auflagen für den „Hochfrequenzhandel“ an den Börsen halten viele Experten für unzureichend. Die bisher kritische Bundesbank gibt sich hingegen plötzlich wortkarg
AUS BERLIN MALTE KREUTZFELDT
Es waren klare Worte, mit denen Bundesbank-Vorstand Joachim Nagel im vergangenen September die Risiken des sogenannten Hochfrequenzhandels beschrieb. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit, mit der dieser automatisierte, computergestützte Börsenhandel heute abläuft, könnten „zukünftige Finanzkrisen und Systemstörungen immer spontaner auftreten“ und würden „zunehmend schwerer prognostizierbar“, hatte Nagel damals auf der Fachtagung „Trade Tech“ gewarnt.
Es „verdichteten sich die Anzeichen“, dass der Hochfrequenzhandel in bestimmten Situationen zu einer „zusätzlichen Marktdestabilisierung“ beitrage und teils „marktschädigend“ wirke, hatte der Bundesbank-Vorstand erklärt. So sei der Kurs der Börsenplattform BATS beim Börsengang im März 2012 durch automatisierte Verkaufsorder innerhalb von 1,5 Sekunden von 15,25 auf 0 Dollar gefallen, berichtete Nagel – und folgerte: „Es bedarf daher eines umfassenden regulatorischen Rahmens.“
Ganz andere Worte fand die Bundesbank für ihre Stellungnahme an den Finanzausschuss des Bundestags, der am Mittwoch Experten nach ihrer Einschätzung zu einem geplanten Gesetz befragte. „Der computergestützte Hochfrequenzhandel kann die Effizienz von Finanzmärkten erhöhen“, heißt es dort. Den Gesetzentwurf der Regierung, der im Wesentlichen die Akteure des Hochfrequenzhandels zu mehr Transparenz verpflichtet, auf konkrete Vorgaben und Einschränkungen aber weitgehend verzichtet, begrüßte die Bundesbank. Was zu dieser veränderten Haltung geführt hat, ließ sich am Mittwoch nicht klären – denn trotz Einladung war kein Vertreter der Bundesbank zur Anhörung erschienen. Namentlich gekennzeichnet war das knappe schriftliche Statement der Bank nicht. Deutlich kritischer fielen die Einschätzungen einiger anderer Experten aus. Benoît Lallemand von der Organisation Finance Watch forderte, ein Entgelt für stornierte Aufträge einzuführen, um Manipulationen zu verhindern. Der Finanzwissenschaftler Rudolf Hickel schlug ebenso wie Markus Henn von Weed vor, dass Angebote oder Nachfragen (sogenannte Order) mindestens eine halbe Sekunde lang aufrechterhalten werden müssen – was vielen Strategien, die auf Zeitvorsprüngen im Millisekundenbereich beruhen, die Grundlage entziehen würde. Mit diesem Vorschlag könnte auch der Bundesverband der Wertpapierfirmen leben. Order ohne wirkliche Handelsabsicht würden unterbunden und eine Benachteiligung normaler Handelsteilnehmer gegenüber Hochfrequenzhändlern verhindert, so Geschäftsführer Michael Sterzenbach.
Die Deutsche Börse hingegen teilte mit, Mindesthaltefristen führten zu einer „nachhaltigen Störung der Marktstruktur“. Auch die geplante Zulassungspflicht für Hochfrequenzhändler lehnt sie ab: Ein „nationaler deutscher Alleingang“ könne „den deutschen Finanzplatz massiv benachteiligen“. Die Börsen, denen der Gesetzentwurf eine wichtige Rolle bei der Regulierung zuweist, verdienen mit dem Hochfrequenzhandel viel Geld.