: Ohne Quotendruck
ZU ZWEIT Der NDR zeigt ab Sonntag (15.30 Uhr) seine Sendereihe „7 Tage“. Nachwuchsreporter tauchen dafür eine Woche lang in eine andere Welt ein. Diesmal in die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Auschwitz
REDAKTIONSLEITER FABIAN DÖRING
VON DANIEL BOUHS
Eigentlich hätte das Format schon längst wieder auf Sendung sein sollen, doch dann fiel den Programmmachern im NDR plötzlich ein: Sonntagnachmittags zappen auch Kinder durchs Fernsehen. Da macht sich ein Puff-Bericht nun mal nicht gut. Jugendschutz und so. Also geht es erst eine Woche später los, an diesem Sonntag, mit dem Besuch in einem ehemaligen Konzentrationslager. Der gekaufte Sex muss warten, das Grauen nicht.
„7 Tage“ heißt das Format, das der Sender eine „innovative Autoren-Dokumentar-Reihe“ nennt. Im vergangenen Jahr sendete der NDR diese zunächst, ohne die Werbetrommel zu rühren. Die Sendung sollte sich im laufenden Betrieb entwickeln, was geklappt hat. Nun startet die zweite Staffel der Reihe, deren Titel Programm ist: Junge FilmemacherInnen tauchen immer zu zweit für jeweils eine Woche in ein Milieu ein. Einer hält die handliche Kamera, der andere steht davor. So unauffällig wie möglich soll das sein.
Die Autoren des ersten Films leben und arbeiten sieben Tage in Auschwitz, „um zu verstehen, was das ist: Schuld“, wie es in ihrem Film heißt. Der, der nicht die Kamera hält, sondern vor ihr durch die Geschichte führt, streicht wie ein Zivildienstleistender die alten Bauten. Er pflegt das Mahnmal und konserviert Schuhe, deren Träger hier knapp sieben Jahrzehnte zuvor erst interniert und dann ermordet wurden. Und er spricht mit denen, die seit Jahren hier sind, um die Erinnerung wach zu halten.
Ob die vielen langen Momente bloß gespielt sind, in denen sich der Reporter betroffen und nachdenklich gibt? Der Chef der Sendereihe, Fabian Döring, sagt jedenfalls: „Die Autoren kommen immer anders wieder, als sie ursprünglich ins Projekt reingekommen sind. Die Woche verändert sie.“
Die Reihe ist ein wenig Günter Wallraff, Journalisten also, die in fremde Rollen schlüpfen – nur eben mit offenem Visier. In einem nächsten Teil geht ein Autorenduo „7 Tage unter Penner“. Sie arbeiten in der Bahnhofsmission.
Insgesamt 25 Folgen sind allein für dieses Jahr angesetzt. Aber sonntags um 15.30 Uhr –ernsthaft? Wer soll da einschalten? „Das ist ein Dornröschenplatz“, sagt Redaktionsleiter Döring. „Wenn Vettel in der Formel 1 seine Runden dreht, dann können wir ohnehin nicht punkten.“ Doch das habe auch seinen Vorteil: Quotendruck gebe es hier von vornherein nicht. Sie setzten auf Abrufe im Netz, „von jungen Zuschauern, die nicht den NDR, sondern Inhalte suchen“. Außerdem stehe das Format bereit, wenn eines Tages der öffentlich-rechtliche Jugendkanal kommt.
Aber auch jüngeres Publikum muss irgendwie auf die Reihe aufmerksam werden. Dafür soll N-Joy sorgen, die hauseigene Radio-Jugendwelle des Senders. Döring plant außerdem ein Experiment: „Wir wollen Mediensäulen in norddeutschen Schulen aufbauen, denn unsere Stoffe Nationalsozialismus, Armut und Prostitution sind ja auch etwas für den Unterricht.“ Starten könnte es in einer Hamburger Schule, die Gespräche dazu laufen.
„7 Tage“ verfolgt also irgendwie auch einen pädagogischen Ansatz. Gleichzeitig versteht sich die Reihe als Gegenentwurf zu den klassischen Ego-Dokumentationen, in denen Reporter Atommülllager besuchen oder Biobauernhöfe. „Wir gehen vom Bauch in den Kopf und nicht anders herum, wie etwa ‚Panorama – Die Reporter‘“, sagt Döring. „Bei uns wird nichts vorher geskriptet, sondern alles entsteht immer spontan vor Ort.“ Was Döring nicht sagt: Das funktioniert natürlich nur, solange seine Sendung klein bleibt. Steigt mit einem besseren Sendeplatz das Risiko, müsste auch er Sicherheit schaffen.
Unterdessen hat er auch für die kurzfristig abgesetzte Puff-Folge eine Lösung gefunden. „7 Tage im Bordell“ läuft nun Ende Juni um 23.30 Uhr – nach der Wiederholung eines „Tatorts“, der passenderweise auch im Rotlichtmilieu spielt. „Das ist jetzt mehr oder minder zufällig ein guter Testballon“, sagt Döring. „Wir werden dann wissen, wie unser Format auch in einem ganz anderen Programmumfeld läuft.“