BARBARA DRIBBUSCH ÜBER DIE BILDUNGS-CHIPKARTE FÜR BEDÜRFTIGE KINDER : Auf die falsche Karte gesetzt
Es lässt nichts Gutes ahnen, was CDU-Sozialministerin Ursula von der Leyen bisher über die geplante Bildungs-Chipkarte für Kinder aus Hartz-IV-Familien verlauten lässt. Diese Chipkarte soll zumindest teilweise durch Sozialgeld finanziert werden, das sonst zur Erhöhung der Regelsätze für bedürftige Kinder verwendet werden müsste. Zudem sollen „Familienlotsen“ und andere Sachbearbeiter in den Jobcentern darüber entscheiden, welches Kind welche Leistungen auf seine Chipkarte geladen bekommt – ob es also einen Zuschuss für Musik- und Sportstunden, zum Mittagessen oder eine Lernförderung erhält.
Man kann sich vorstellen, was dabei herauskommt: Ähnlich wie früher bei den „einmaligen Leistungen“ in der Sozialhilfe gewähren die Jobcenter dann je nach Schulleistung dem einen Kind eine Lernförderung, weil es zu viele Fünfen schreibt. Das andere bekommt vielleicht Musikunterricht, weil es vor Ort einen Gitarrenlehrer gibt. Und das dritte erhält einen Zuschuss zum Mittagessen, weil es in eine Ganztagsschule geht. Der Willkür in den ohnehin überlasteten Jobcentern öffnet das Tür und Tor. Dass das Geld für die neue Chipkarte eigentlich in einen höheren Regelsatz für alle Bedürftigen gehört, hat überdies einen unangenehmen Beigeschmack.
Es ist ein Fehler, die Debatte um die Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger mit der Bildungsfrage zu verquicken. Kinder aus benachteiligten Familien brauchen eine breit finanzierte verlässliche Förderung durch frühen, verpflichtenden Deutschunterricht, Förderstunden, Mittagessen, Ganztagsschulplätze – und das kann die Chipkarte nicht leisten. Was jetzt droht, ist auch bürokratisches Chaos. Diese politische Energie sollte in andere Projekte zur Bewältigung der Bildungsfrage fließen.
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