Der Bart entscheidet

FLAUM Eines haben die großen Parteien alle gemeinsam: Sie stehen auf haarige Männer. Eine Ikonografie der Wahlwerbung

VON GEREON ASMUTH

CDU: Die CDU (links) hätte also gern Weitblick. Dummerweise sitzt ihr dieser bärtige Typ im Weg. Deshalb muss sie sich so weit nach rechts lehnen, dass sie zu fallen droht. Zum Glück trägt sie einen stabilen Helm (merke: Der Euro ist keine Scheibe!), der eindeutig zu groß ist, aber was soll’s, sie will ja noch wachsen. Nur, wer ist der Typ, der ihr zwar die Sicht versperrt, mit dem sie aber dennoch gemeinsam erfolgreich sein will? Peer? Rainer? Jürgen? Wieso gibt es keinen Fahrtwind? Und warum haben beide grüne Augen? Nein, auch nach langem Nachdenken bleibt dieses Plakat ein Rätsel.

SPD: Die CDU (hinten links) ist auf dem SPD-Plakat deutlich älter. Auch hat sie sich mittlerweile die Haare schwarz gefärbt. Aber sie ist wiederzuerkennen. Vor allem an dem Typen mit dem Bart (und den SPD-roten Hosen), mit dem sie inzwischen zwei Kinder hat. Dummerweise können sie sich daher die schicke Altbauwohnung nicht mehr leisten. Denn die große Koalition der Erwachsenen – Das Wir, das hier entscheidet – wird ja eh nichts an der Mietenpolitik ändern. Die Kleene vorn im Bild hat das Problem erkannt und symbolisiert subversiv die rückwärtsgewandte Politik ihrer Partei.

Linkspartei: Was ist denn bei der Linkspartei los? Weit und breit kein Bart im Gesicht. Nur Dietmar Bartsch. Doch auch der: glatt rasiert bis hinter die Ohren. Dabei hatte die Linke mit Kalle Marx einst so gut vorgelegt. Will sich die Linke als völlig aus der Zeit gefallene 90er-Jahre-Partei anpreisen? Falsch! Sie zahlt 10 Euro Mindestlohn auch für Barbiere. Da bleibt kein Haar an der Wange.

FDP: Die Liberalen haben dem Bartträger mit dem Langhaarschneider auf die Pelle gerückt. So bleibt nur ein Dreitagebart. Oder ist das gar nur die Zweitagesversion? Das könnte ein Symbol für Kürzungen sein. Wahrscheinlicher aber ist, dass die FDP sich bewusst kleiner macht, damit ihr jeder seine Stimme aus Mitleid gibt. Die Botschaft an die Wähler: Hier muss noch was wachsen, um die Fünftagehürde zu überwinden, sonst wird es eng mit dem Aufschwung der FDP. Und das Brett da quasi vorm Kopf? Gehört zur neuen Ehrlichkeit.

Grüne: Der Typ mit dem Bart ist auch hier groß auf dem Plakat. Er symbolisiert ein verklausuliertes Koalitionsangebot an die SPD. Die Botschaft steckt in der ranschmeißerischen Kunst der Kopie. In Bayern bewirbt die SPD ihren Christian Ude als „Ministerpräsident, der Wort hält“ und zeigt dazu Ude, der das Wort „Wort“ in der Hand hält. Ein echter Brüller. Da brüllen die Grünen mit. Sie fordern „Mensch vor Bank“ und zeigen dazu einen Menschen vor einer Bank. Hoho, das ist richtig gut – weil es ja mindestens einen Menschen gibt, der auf solchen Humor steht: Er heißt Peer.

Piraten: Ach Gott, den grauesten Bartträger heben ausgerechnet die Piraten auf den Schild. Gut, das muss wohl ein Zeichen für Klarheit, Wahrheit und Transparenz sein. Schließlich sah keine andere Partei so schnell so alt aus. Den Glauben, dass sie tatsächlich noch in den Bundestag einziehen, haben sie als Privatmeinung. „JETZT!“ steht dick und fett neben dem Gesichtshaar. Jetzt, denkt man da, geht es dem Gefussel an den Kragen.