: Folter und die Verantwortung der Medien
EDITORIAL Warum die taz ausführlich über einen Report berichtet, auch wenn seine Publikation interessengesteuert erscheint
Es ist gewiss kein Zufall, dass der Bericht über die systematische Tötung syrischer Gefangener am Dienstag bekannt geworden ist: Am Mittwoch beginnt im schweizerischen Montreux die UNO-Syrienkonferenz. Alle Protagonisten und ihre Unterstützer haben ein vehementes Interesse daran, den Gegner in ein möglichst schlechtes Licht zu setzen.
Der Report über die Gefangenenmorde wurde von einer bekannten Londoner Kanzlei als Rechtsgutachten im Auftrag des Emirats Katar erstellt. Katar unterstützt syrische Rebellen. Es handelt sich also um einen interessengeleiteten Auftrag, und die Informationen wurden mit Bedacht zunächst dem US-Sender CNN und dem britischen Guardian zugeleitet.
Ist der Report deshalb in Wahrheit Propaganda? Der Tag der Veröffentlichung und der Auftaggeber der Studie könnten darauf schließen lassen. Jedoch: Nur weil der Zeitpunkt der Veröffentlichung im Interesse einer der Konfliktparteien liegt, muss die darin enthaltene Information nicht falsch sein.
Die Studie ist von drei sehr renommierten ehemaligen Chefanklägern von UN-Tribunalen vorgelegt worden, die große Erfahrung bei der Untersuchung von Kriegsverbrechern haben. Um die Informationen zu prüfen, zogen sie weitere Experten, darunter Forensiker und Fotospezialisten, zu Rate. Sie sprachen ausführlich mit der Quelle der Bilder, dem geflüchteten Polizeifotografen mit dem Decknamen „Caesar“. Sie kommen zu klaren Schlüssen, was die Glaubwürdigkeit des Informanten und seines Materials angeht – mit aller gebotenen Vorsicht, beispielsweise was die Zahlenangabe von 11.000 getöteten Gefangenen angeht, die nicht überprüfbar ist.
Ihre Anschuldigungen erscheinen daher weder leichtfertig, noch sind sie einfach von der Hand zu weisen. Und sie entsprechen den Berichten, die seit Jahrzehnten über Folter in Syrien bekannt sind.
Deshalb hat sich die taz dazu entschlossen, diese Berichte so ernst zu nehmen, wie es angebracht ist, und ausführlicher als sonst darüber zu berichten. Auch das Abdrucken einiger der veröffentlichten Folterbilder gehört dazu. Was Sie hier lesen, sind sehr starke Indizien für furchtbare Verbrechen. Wir halten es für unsere Pflicht, Sie, unsere Leser, darüber angemessen zu informieren. KLAUS HILLENBRAND, REDAKTION TAZ.EINS