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Archiv-Artikel

Liberia führt die Todesstrafe wieder ein

Präsidentin Johnson-Sirleaf trotzt Protesten von Menschenrechtlern. Grund: steigende Gewaltkriminalität

BERLIN taz ■ In einem Land, das erst vor kurzer Zeit ein Zehntel seiner Bevölkerung im Bürgerkrieg verloren hat, bedarf es wohl drastischer Maßnahmen gegen Gewalttäter. Das dachten sich vermutlich die Parlamentarier und die Präsidentin von Liberia, als sie jetzt die Wiedereinführung der Todesstrafe in dem westafrikanischen Land beschlossen. Staatschefin Ellen Johnson-Sirleaf, international als afrikanische Hoffnungsträgerin gefeiert, unterzeichnete das zuvor von beiden Parlamentskammern verabschiedete Gesetz am Dienstag vergangener Woche, wie jetzt bekannt wurde.

Verbrecher in Liberia, die während eines bewaffneten Überfalls, eines terroristischen Akts oder einer Entführung jemanden umbringen, können jetzt aufgehängt werden. Die Gesetzesänderung wurde beschlossen, nachdem Liberia von der schlimmsten Gewaltwelle seit Ende des Bürgerkrieges 2003 heimgesucht wurde. Eine Reihe brutaler Morde, teils rituellen Charakters mit verstümmelten Leichen, haben in den letzten Monaten Liberia erschüttert.

Angesichts eines nur schleppenden Wiederaufbaus sind zahlreiche demobilisierte Kämpfer der verschiedenen früheren Bürgerkriegsmilizen Liberias frustriert und verkaufen ihre Fähigkeiten gerne an jeden, der dafür gut bezahlt. Immer wieder ist berichtet worden, dass auch Polizisten an Gewaltverbrechen beteiligt seien. Die Regierung hat daher eine Generalüberprüfung der Polizei angeordnet – was die Opposition kritisiert mit dem Verweis, die letzte Überprüfung liege erst zwei Jahre zurück. Wichtiger wäre es, endlich eine funktionierende Armee aufzubauen, die frühere Bürgerkriegskämpfer aufnehmen könnte, hieß es in einer Erklärung der oppositionellen Liberalen.

In Liberia war 1989 Bürgerkrieg ausgebrochen. Rebellenführer Charles Taylor wurde 1997 zum Präsidenten gewählt und 2003 wieder gestürzt. Freie Wahlen Ende 2005 brachte die Finanzexpertin Ellen Johnson-Sirleaf an die Macht, die sich schnell internationale Sympathie erarbeitete. Sie besuchte Deutschland zuletzt vor einem Monat.

Noch vor Johnson-Sirleafs Wahl hatte Liberia 2005 das UN-Protokoll zur Abschaffung der Todesstrafe unterschrieben. Ob damit die Todesstrafe tatsächlich in Liberia abgeschafft worden war oder nicht, bleibt im Land umstritten, da es danach keine ausdrückliche Überführung des Protokolls in die liberianischen Gesetze gab. Der Verweis auf das UN-Protokoll führte dennoch zu Protesten gegen die Strafrechtsverschärfung, und die Menschenrechtsorganisation amnesty international rief Johnson-Sirleaf dazu auf, die Unterschrift unter das Gesetz zu verweigern.

Nun hat die Präsidentin doch unterschrieben und rechtfertigt dies so: Sie sei sich durchaus bewusst, dass Liberia ein Unterzeichnerstaat des UN-Protokolls ist. Sie habe aber auf den Wunsch der Bevölkerungsmehrheit reagiert, eine Antwort auf die zunehmende Gewaltkriminalität zu finden. Wenn die Lage unter Kontrolle sei, so die von der Zeitung Analyst wiedergegebene präsidiale Stellungnahme weiter, sei sie bereit, die Sache zu überdenken. DOMINIC JOHNSON