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Archiv-Artikel

Unfertig, chaotisch, wild

TV Berlin hat mit Meret Becker und Mark Waschke ein neues „Tatort“-Duo. Am Montag hatte deren erster Fall im Kino Babylon Premiere

Es waren gefährliche Wochen in der Hauptstadt. Zumindest wenn man der Intendantin des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) glaubt. Dagmar Reim ist dementsprechend froh, dass endlich wieder ErmittlerInnen auf Berlins Straßen unterwegs sind: Sie heißen Nina Rubin und Robert Karow. Sie werden gespielt von Meret Becker und Mark Waschke. Berlin hat ein neues „Tatort“-Duo. Am Montag hatte deren erster Fall „Das Muli“ Premiere im Kino Babylon in Mitte.

Gut, bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass die Zeit zwischen dem letzten Einsatz von Vorgänger Boris Aljinovic (im November 2014) und dem ersten Einsatz des neuen Teams (am 22. März um 20.15 Uhr in der ARD) auch nicht länger ist als sonst bei „Tatort“-Ausstrahlungen aus Berlin, von denen es zwei pro Jahr gibt – aber wer nimmt es schon so genau, wenn er Teil eines „historischen Augenblicks“ sein darf, wie es Knut Elstermann sagt. Und weil es eben so historisch ist, hat der RBB an diesem Abend aufgefahren, was der RBB auffahren kann: Neben Elstermann ist Uli Zelle im Einsatz, der Programmdirektor des Ersten, Volker Herres, dazu nahezu das gesamte Ensemble inklusive HauptdarstellerInnen. Das Publikum nimmt es dankbar an: Das Babylon ist sehr gut gefüllt.

Der Sonntagabendkrimi im Ersten ist halt längst mehr als nur ein TV-Film. „Das ist ein einmaliges Phänomen“, sagt Herres. Woher das kommt? Das Erfolgsgeheimnis sei „Vielfalt unter einer verlässlichen Marke“. Na dann.

Und für die Rundfunkanstalten sind es die wichtigsten Programmplätze des Jahres im Ersten, gerade für kleine Anstalten wie den RBB. Was erwartet also die Chefin Reim von einem Berliner „Tatort“, von ihrem schmalen Fenster im Ersten Deutschen Fernsehen? Dass er so sei wie die Stadt, antwortet sie: „Unfertig, chaotisch, wild, rührend“, es folgen weitere Adjektive.

Das scheint bei den Machern angekommen zu sein. Ein Teil des Films spielt am Flughafen BER. Und auch sonst dürfte der Film den Erwartungen der Intendantin entsprechen. Meret Becker und Mark Waschke spielen unter Anleitung von Regisseur Stephan Wagner und Drehbuchautor Stefan Kolditz glaubwürdige Charaktere. Rau. Authentisch. Gleichzeitig vergisst niemand, dass es hier auch noch einen Fall zu lösen gibt (diesmal im Drogenmilieu). Vieles erinnert an den Rostocker „Polizeiruf 110“ mit Anneke Kim Sarnau und Charly Hübner. Nicht die schlechtesten Vorbilder, schließlich stehen Sarnau und Hübner für eine der besten Krimireihen, die derzeit im deutschen Fernsehen laufen.

Es könnte also klappen, was die neue Berliner Kommissarin Meret Becker sich am Ende dieses Abends wünscht: dass sie auf die Frage „Wo waren Sie am Sonntag um 20.15 Uhr“ aufrecht antworten kann – ohne sich schämen zu müssen. JÜRN KRUSE