KOMMENTAR VON CHRISTIAN RATH : Ein fauler Kompromiss
Dieser Kompromiss wird der Koalition noch um die Ohren fliegen. „Psychisch gestörte Gewalttäter“ sollen nicht aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden, obwohl sie nach einem Urteil aus Straßburg einen Anspruch darauf haben. Stattdessen will man sie in einem neuartigen Therapieknast unterbringen. Darauf haben sich Innenminister de Maizière und Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger jetzt geeinigt.
Damit werden in viele Richtungen falsche Hoffnungen erweckt. Wer soll denn von dem neuen Gesetz überhaupt erfasst werden? Straftäter, die psychisch krank sind, waren schon bisher in besonderen Einrichtungen untergebracht und eben nicht in der Sicherungsverwahrung. Umgekehrt ist nicht jeder, den ein Gutachter für gefährlich hält, psychisch gestört. Wenn die Regierung hofft, dass die Gerichte nun alle rückfallgefährdeten Gewalttäter umetikettieren und zu psychisch Gestörten machen, dann dürfte sie sich mächtig täuschen. Gerade bei der Sicherungsverwahrung haben sie nämlich, insbesondere der Bundesgerichtshof, streng darauf geachtet, dass alles mit rechtsstaatlichen Dingen zugeht. Die Psychiatrisierung von unliebsamen Personen kennt man sonst eher aus Diktaturen. Peinlich, dass das nun die versprochene „gerichtsfeste Lösung“ sein soll.
Vor allem de Maizière hat gestern falsche Versprechungen gemacht. Statt die Panikberichterstattung der Bild-Zeitung zu geißeln, gaukelt er Scheinlösungen vor. Spätestens dann, wenn sich zeigt, dass es für das neue Unterbringungsgesetz so gut wie keine Anwendungsfälle gibt, wird auch bald der Rest des Kompromisses auseinanderfallen. Immerhin hat die Union jetzt dem von Leutheusser-Schnarrenberger geforderten Wegfall der nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung zugestimmt – in der falschen Hoffnung, dann eben alle Betroffenen in den neuen Psychoknast stecken zu können.
Statt falsche Versprechungen zu machen, sollte offen gesagt werden, dass die meisten der zur Entlassung anstehenden Sicherungsverwahrten aus rechtlichen Gründen wirklich in Freiheit kommen werden, dass sie aber lange nicht so gefährlich sind, wie viele glauben. Es handelt sich vor allem um restgefährliche alte Männer. Sie brauchen mehr Sozialarbeit als Kontrolle – und nicht zuletzt Schutz vor der Bild-Zeitung, die sonst jede Resozialisierung verhindern wird.