: Auf der Suche nach dem besseren Leben
ARBEITSMIGRATION Vor allem Polen und Bulgaren zieht es nach Berlin. Wie viele Menschen aber ohne legalen Aufenthaltsstatus hier leben, weiß keine Statistik
Aus keinem Land kommen derzeit so viele Migranten nach Berlin wie aus Polen: 1.990 Menschen waren es laut Statistischem Landesamt von Januar bis März dieses Jahres. Neuere Zahlen liegen noch nicht vor. Auf Platz zwei liegt Bulgarien mit 1.478 Migranten, aus Rumänien kamen 1.063 und 1.050 aus Spanien. Und die meisten Menschen, die nach Berlin ziehen, sind zwischen 20 und 30 Jahre alt. Bei den Polen noch beliebter als Deutschland ist übrigens Skandinavien oder Großbritannien.
Der Vergleich mit dem Jahr 2006 zeigt, dass Polen und Spanien schon damals zu den häufigsten Herkunftsländern der Migranten zählten – zusammen mit Frankreich und Großbritannien. Bulgarien und Rumänien aber waren damals noch weit abgeschlagen in der Statistik. Erst die EU-Osterweiterung im Jahr 2007 ermöglichte es mehr Menschen, aus diesen beiden Ländern nach Deutschland zu migrieren.
Was lockt, ist der höhere Lebensstandard. „Die Migration erfolgt vorwiegend aus industriell unterentwickelten Ländern“, analysiert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in seinem „Atlas über Migration, Integration und Asyl“. In Bulgarien liegt das Bruttoinlandsprodukt pro Person bei 452 Euro im Monat – hier sind es 2.749 Euro.
Es gibt keine offizielle Statistik darüber, zu welchen Stundenlöhnen Bulgaren und Polen in Deutschland arbeiten. Niemand weiß, wie viele von ihnen nur 2 oder 3 Euro die Stunde erhalten. „Es gibt keine realistischen Schätzungen, weil das überhaupt nicht sichtbar ist“, sagt Nivedita Prasad von Ban Ying, einer Beratungsstelle für ausgebeutete Arbeitnehmer. Während einige Arbeiter gar nichts bekommen, weil sie fiktive und überhöhte Schulden für ihre Einschleusung nach Deutschland abarbeiten müssen, kommen andere auf 10 Euro pro Stunde. Oft wird am Ende auch weniger gezahlt als versprochen.
Meist schmutzige Arbeiten
Noch schlimmer als die der EU-Bürger ist nach Prasads Erfahrung jedoch die Ausbeutung der Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus, etwa aus Asien oder Afrika. Bei ihnen weiß man nicht einmal, wie viele in Berlin leben. Sie pflegen Senioren in Privathaushalten, arbeiten auf dem Bau, als Saisonarbeiter auf dem Bauernhof oder in Nagelstudios. „Die Arbeiten sind meist schmutzig, gefährlich oder erniedrigend“, so Prasad.
Viele Betroffene haben mehrere Jobs, um sich nicht an einen Arbeitgeber alleine zu binden. Prasad: „Unser Tipp ist: Arbeitgeber sollten gar nicht erst erfahren, dass man keine Papiere hat.“ Sonst würden die Zahlungen sofort eingestellt. Prasad: „Die Arbeitgeber wissen, dass ein Mensch ohne Papiere nie zum Gericht gehen wird.“ Weil sonst der Arbeitgeber den Behörden Bescheid sagt, die dann beim Gerichtstermin auftauchen – um die Opfer der Ausbeutung abzuschieben. SEBASTIAN HEISER
■ Beratungsstelle Ban Ying, Telefon 0 30-440 63 73