DOMINIC JOHNSON ÜBER DIE AFFÄRE MANSOUR : Journalisten, meidet Berlin!
Es hat doch alles seine Ordnung, könnte man meinen. Der Beschuldigte ist in seiner Heimat rechtskräftig verurteilt, gegen ihn liegt Haftbefehl vor, also warum sollte der Ägypter Ahmed Mansour, der in seiner Heimat wegen Folter zu 15 Jahren Haft verurteilt worden ist, nicht von den deutschen Behörden festgenommen werden? Ordnung muss sein.
Aber mit rechtstaatlicher Ordnung hat das, was sich die Berliner Justizbehörden im Falle Mansour leisten, wenig zu tun. Mansour ist ein bekannter Journalist, dessen TV-Sender im Visier des ägyptischen Regimes steht. Er reiste unbehelligt für ein Interview nach Deutschland; festgesetzt wurde er erst bei der Ausreise. Sein Prozess in Ägypten war fragwürdig und wurde in Abwesenheit geführt. Ägypten ist kein Rechtsstaat. Laut geltender Rechtsprechung sind „die zuständigen Organe der Bundesrepublik gehindert, an der Auslieferung eines Verfolgten mitzuwirken, wenn damit gerechnet werden muss, dass der Verfolgte nach einer Auslieferung einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein wird“, wie noch zu Mubarak-Zeiten das Oberlandesgericht Köln unter Verweis auf das Bundesverfassungsgericht bei der Ablehnung der Auslieferung eines in Ägypten verurteilten Anlagebetrügers feststellte.
Mansours Festnahme wäre nur dann verhältnismäßig, wenn eine Möglichkeit bestünde, dass Deutschland ihn tatsächlich ausliefert. Voraussetzung wäre, dass Deutschland Ägypten als Rechtsstaat ansieht; dass Deutschland ägyptische Haftbedingungen als zumutbar bewertet; und dass die ägyptische Justiz völkerrechtliche Mindeststandards einhält.
Ist dies die Meinung der deutschen Behörden? Dann wäre die Berliner Ansage an die kritischen Journalisten der Welt: Bleibt zu Hause. Sobald eure Regierung gegen euch Haftbefehl erlässt, seid ihr hier nicht mehr sicher.
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